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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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menschenmöglichen Vorkehrungen zu treffen. Diese Kamera liegt am vereinbarten Ort. Die Frage ist nur, wo. Was haben die beiden vereinbart? Oder, von mir aus, was werden die beiden vereinbaren? Denken Sie sich in den Zeitreisenden ein, Eisenhardt, erraten Sie seine Gedanken. Sie sind Schriftsteller — es ist Ihr Job, sich in andere Personen einzufühlen. Finden Sie heraus, was er denken wird. Finden Sie heraus, wo die Kamera ist.«
    Kauns Stimme hatte sich verändert, während er das gesagt hatte, hatte einen scharfen, fordernden, metallischen Klang bekommen. Eisenhardt starrte den Mann an und fühlte Panik in sich aufsteigen wie eine glühende Hand, die aus seinen Gedärmen nach seiner Kehle griff. Da war er wieder zu spüren, der wirkliche John Kaun, der sich jetzt die ganze Zeit linter einer Maske aus Umgänglichkeit verborgen gehalten hatte. Und der wirkliche John Kaun war ein Raubtier, das ei-nen blauen Anzug trug.
    Er warf einen nervösen Blick hinüber zu WilfordSmith, aber der Professor hatte sein Whiskyglas leer und starrte vor sich hin mit Augen, die jeden Augenblick zufallen würden.»Das ist, äh, im Moment alles etwas viel für mich. Die Reise, dieser Fund… Aber ich werde darüber nachdenken.«
    »Sie haben Zeit. Nicht unbegrenzt, aber Sie haben Zeit.«
    »Ich werde recherchieren müssen. Ich brauche Zugang zu einer großen Bibliothek.«
    Kaun nickte, als habe er das nicht anders erwartet. Er wandte sich mit einer raschen Bewegung zur Seite, die den beunruhigenden Eindruck verstärkte, daß er niemals zu ermüden schien, nahm einen der Telefonhörer ab, wählte eine zweistellige Nummer und sagte, als sich jemand meldete, nur:»Kommen Sie bitte herüber.«Dann legte er auf.
    »Sie bekommen den Wohnwagen nebenan«, sagte er dann.»Dort haben Sie einen voll ausgestatteten Arbeitsraum zur Verfügung. Ansonsten…«Vom Eingang her war ein Geräusch zu hören, dann öffnete sich die Tür, und ein Mann trat ein, den Eisenhardt bis jetzt noch nicht gesehen hatte. Der Professor schreckte hoch, und so, wie er den Eintretenden anstarrte, schien er ihn auch noch nie gesehen zu haben.
    »Meine Herren, ich darf Ihnen Mister Ryan vorstellen. Er ist Chef meiner Sicherheitsabteilung und wird sich von nun an um alles kümmern. Ryan, das ist Professor WilfordSmith, der Leiter der Ausgrabung, und Mister Eisenhardt, der Schriftsteller.«
    »Sehr erfreut«, sagte der Mann mit einer tiefen, dunklen Stimme.
    Er war groß, mindestens hundertneunzig Zentimeter, und wirkte stahlhart und durchtrainiert. Ein Elitesoldat, der keine Uniform trug, nur einen schlichten khakifarbenen Overall. Sein Händedruck war kühl, knapp, sachlich. Das Haar trug er so kurz geschoren, daß man nur vermuten konnte, welche Farbe es hatte, und die Augen in seinem ausdruckslosen Gesicht waren die wasserklarsten hellblauen Augen, die Eisenhardt jemals in seinem Leben gesehen hatte. Wie alt mochte dieser Ryan sein? Auf eine eigentümliche Weise schien er alterslos; hätte genausogut achtundzwanzig wie achtundfünfzig Jahre alt sein können.
    »Ryan«, fuhr Kaun mit Blick auf Eisenhardt fort,»wird Ihnen jedes Buch besorgen, das Sie benötigen. Er wird Ihnen überhaupt alles besorgen, was Sie brauchen. Er wird Sie in jede Bibliothek des Landes fahren oder fahren lassen, wenn Sie es wünschen. Was auch immer Ihnen einfällt, das unsere Suche beschleunigen könnte, sagen Sie es ihm.«
    Eisenhardt nickte, einigermaßen verblüfft, und warf Ryan einen scheuen Blick zu, den dieser reglos erwiderte.
    »Und, Mister Eisenhardt, ich meine das so, wie ich es sage. Was auch immer Ihnen einfällt.«»Ja.«
    »Es ist nicht Ihre Aufgabe, sich Gedanken darüber zu machen, ob Sie ihn überfordern oder nicht.«»Ich verstehe.«
    »Sollte ich«, begann Kaun noch einmal und sah den Schriftsteller mit dunkel glimmenden Tigeraugen an,»feststellen, daß Sie auf irgendeine Ressource verzichtet haben, nur weil Sie sie nicht zur Verfügung hatten, sondern danach hätten fragen müssen und es nicht getan haben — dann würden Sie eine Seite an mir erleben, die Ihnen, ich verspreche es Ihnen, nicht gefallen würde.«
    Oha. Eisenhardt schluckte unbehaglich, nickte dann. Die Flitterwochen waren vorüber. Und Kaun war nicht dorthin gekommen, wo er sich befand, weil er so gut Krawatten binden konnte.
    »Im übrigen«, fuhr der Milliardär fort, während er sich nach vorn beugte, die Unterarme auf die lederne Schreibunterlage seines Schreibtischs gestützt, die Fingerspitzen beider

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