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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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zu konzentrieren. Es gibt in den persönlichen Habseligkeiten einer Person viele andere Dinge, die einem erfahrenen Eindringling genausoviel verraten können wie ein Computer, und das mit einer noch größeren Bereitwilligkeit.
    Ryan trat an die Kleiderstange, filzte mit raschen, offenbar oft geübten Bewegungen alle Taschen, fand aber nichts. Er ging in die Hocke und durchsuchte die Tasche, die halb geöffnet darunter stand, wobei er es fertigbrachte, die Anordnung der Dinge darin — soweit man bei dem offensichtlichen Chaos von einer Anordnung sprechen konnte — unverändert zu lassen. Das Ergebnis war offensichtlich unbefriedigend, was sich darin äußerte, daß sich Ryans Augenbrauen während der Durchsuchung langsam, aber unaufhaltsam einander annäherten und eine unübersehbare Falte des Mißmuts auf seiner ansonsten glatten Stirn erzeugten. Kein Tagebuch. Keine Briefe. Nicht einmal ein Terminkalender oder Adreßbüchlein, aus dem man etwas hätte ablesen können.
    Er ließ sich auf das Bett sinken, und diesmal war es ihm egal, ob er dabei Spuren hinterließ in der wilden Landschaft aus Falten, Decken und Schlafanzugsteilen. Mit der Ferse stieß er an etwas, das unter dem Bett stand, und es gab ein trockenes, hohles Geräusch. Erstaunt beugte sich Ryan vornüber, spreizte die Schenkel dabei auseinander und tat mit der Hand das Laken beiseite, das auf den Boden herabhing und bisher den Blick unter das Bett verwehrt hatte.
    Unter dem Bett stand einer der stumpfgrauen Fundkästen.
    »Noch mehr Besuch«, sagte einer der Grabungshelfer, die im Areal 3 Sand und Geröll in staubige, ausgefranste Tragekörbe schaufelten.
    Einen Moment hielten sie inne und reckten die Hälse. Zwei große, silberglänzende Lastwagen kamen über die Schotterpiste auf das Lager zu, eingehüllt in die übliche Staubwolke und bei jedem der zahlreichen Schlaglöcher bedenklich schwankend. Es waren wirklich sehr große Lastwagen, richtige Trucks, wie man sie aus amerikanischen Filmen kannte.
    »Die reinste Invasion«, sagte jemand anders. Dann griffen sie alle wieder nach ihren Schaufeln, obwohl die Arbeit nicht mehr so viel Spaß machte seit Dienstag.
    Professor Charles WilfordSmith räusperte sich ausgiebig, beugte sich vor, faßte Stephen ins Auge, sah aber, als dieser den Blick erwiderte, irritiert beiseite und betrachtete statt dessen die Finger seiner Hand, mit denen er unbewußt komplizierte, unsichtbare Figuren auf den Konferenztisch malte.»Da gibt es etwas«, begann er dann umständlich,»das ich Sie fragen wollte, Stephen.«»Ja?«
    »Warum haben Sie den Leinenbeutel geöffnet?«
    Stephen sah die Finger des Professors innehalten. Es war plötzlich sehr still in dem Raum.»Sie arbeiteten«, fuhr WilfordSmith fort,»im Rahmen einer Ausgrabung. Ich darf annehmen, daß Ihnen das jederzeit bewußt war. Sie fanden einen Leinenbeutel, der ohne Zweifel sehr alt war.«Stephen glaubte aus den Augenwinkeln zu bemerken, wie John Kaun dem Ausgrabungsleiter einen unwilligen, warnenden Blick zuwarf.»Und Sie wissen, daß eine der wichtigsten Grundregeln bei einer Ausgrabung lautet, daß wir Archäologen sind, keine Schatzsucher. Fundstücke werden nicht ad hoc beschädigt, nicht einmal, wenn man darin das Gold der Königin von Saba vermutet. Sie aber haben den Leinenbeutel einfach so geöffnet, und den Plastikbeutel darin haben Sie sogar aufgeschnitten! Sie zückten Ihr Taschenmesser und schlitzten ihn auf!«Als er Stephen diesmal ansah, wich er dessen Blick nicht aus.»Ich würde gern wissen, warum.«
    Nun sahen ihn alle an, und wenn Blicke Nadelstiche gewesen wären, hätte er an drei Stellen zu bluten begonnen. Stephen hatte damit gerechnet, daß ihm diese Frage irgendwann gestellt werden würde. Er spürte, wie ihm trotz der Kühle im Raum Ströme von Schweiß den Rücken hinabliefen.
    Er atmete tief durch, aber nicht zu tief. Jetzt kam alles auf ihn an, aber er mußte immer noch den Harmlosen spielen. Und das war nicht leicht. Kaun beobachtete ihn wie ein Luchs, und Stephen war sich sicher, daß dieser Mann nicht nur einen sechsten, sondern auch noch einen siebten und achten Sinn hatte für das, was in anderen Menschen vorging. Er lehnte sich zurück, hielt die Hände ruhig und versuchte, locker zu lächeln.
    »Na ja«, sagte er dann.»Mir war klar, daß das kein archäologisches Fundstück sein konnte.«
    Drei Paar Augenbrauen wanderten fragend in die Höhe.»Wie bitte?«meinte der Professor.
    »Das Plastik schimmerte durch«, erklärte

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