Das Jesus Video
breiter Fußweg führte zum gläsernen Eingangsportal, das ganz in Finsternis gehüllt stand.
»Du glaubst, daß wir heute abend Geschichte schreiben, oder?«fragte Judith unvermittelt. Sie sah ihn nicht an dabei.
Stephen betrachtete ihr markantes Profil, das sich wie ein Scherenschnitt gegen den dämmrigen Hintergrund abzeichnete.»Ich halte es zumindest nicht für ausgeschlossen«, meinte er.
»Und danach?«
»Danach?«
»Was wirst du danach machen? Nachdem du Geschichte geschrieben hast, meine ich.«»Keine Ahnung.«Er glaubte, eine Bewegung am Portal gesehen zu haben, aber er mußte sich wohl getäuscht haben, denn niemand trat heraus, winkte ihnen oder dergleichen.»Dein Bruder braucht ganz schön lange.«
Judith schwieg. Der abkühlende Motor gab ein knackendes Geräusch von sich.
»Hey«, machte Stephen schließlich,»ich habe schon verstanden — du hältst mich für einen ehrgeizigen Spinner, und du glaubst nicht, daß wir etwas von Bedeutung finden. Okay. Und am Ende wirst du wahrscheinlich recht haben. Aber bis dahin kannst du mir doch meinen Spaß lassen, oder?«
Sie seufzte, dann murmelte sie:»Nein. Ich glaube es nicht nur. Ich fürchte es sogar.«
Sie erschraken zu Tode, als plötzlich jemand an die Scheiben klopfte. Es war Yehoshuah, der es irgendwie geschafft hatte, sich dem Auto von hinten zu nähern, ohne daß sie es bemerkt hatten.
Stephen kurbelte entnervt die Scheibe herunter.»Yehoshuah, du Wahnsinniger«, knurrte er.»Willst du uns umbringen?«
»Oh«, machte der blinzelnd,»habe ich euch erschreckt?«
»Erschreckt? Ich bin um Jahre gealtert. Wir haben die ganze Zeit gewartet, daß du aus dem Portal dort trittst, und dann klopfst du plötzlich meuchlings an die Scheibe…«
»Das Hauptportal ist nachts gesichert. Wir müssen durch einen Seiteneingang rein. Der Nachtwächter muß ja nicht unbedingt mitkriegen, daß wir hier sind.«Yehoshuah deutete vage auf das Gebüsch, in dessen dezentem Schatten sie geparkt hatten.»Ihr steht gut hier, es sind nur ein paar Schritte.«
Stephen trug nun Judiths Reisetasche, als sie ihrem Bruder auf dem schmalen Trampelpfad durch das Ziergesträuch folgten. Das Unterholz knackte sanft unter ihren Schritten. Sie kamen an eine Tür, die etwa einen Meter tiefer lag als der sandige Erdboden; ein paar Treppenstufen führten hinab. Yehoshuah klapperte mit seinem Schlüsselbund, sagte:»Kommt!«, und sie drückten sich in das Dunkel dahinter.
Nachdem die Tür hinter ihnen wieder zugefallen war, ging ! Licht an. Sie waren in einer Art kleinem, staubigem Lagerraum. Zahllose kleine und große Holzkisten standen herum, alle sorgsam vernagelt und auf Hebräisch beschriftet, teilweise von Planen bedeckt, auf denen der unberührte Staub von Jahren, wenn nicht von Jahrzehnten lag.
Viel Zeit, sich umzusehen, blieb nicht. Yehoshuah winkte sie weiter, löschte das Licht wieder. Es ging eine Treppe hinauf, eine weitere Tür, dann kamen sie in eine Ausstellungshalle, in der die Notbeleuchtung brannte — ein großer, kahler Raum, in dem jeder ihrer Schritte widerhallte. Stephen hielt unwillkürlich den Atem an, als er die gläsernen Vitrinen abschritt, die in langen Reihen hintereinanderstanden. Unmengen von alten Münzen und Keramikgefäßen waren hier ausgestellt; Knochen, Schmucknadeln aus Bronze, Gold und Silber, Fragmente von Papyrusrollen und verwitterte Lederteile von Schuhen oder Kleidungsstücken. Ausführliche, dreisprachig gehaltene Erklärungstafeln standen dabei, aber es war zu dunkel, um sie zu lesen.
»Hier entlang«, murmelte Yehoshuah, und man konnte sich einbilden, ein fernes Echo seiner Stimme aus den Ecken raunen zu hören: lang… lang… lang…
Eine hohe Tür, die leise, aber in der Stille des nächtlichen Museums nervenzerfetzend quietschte, führte hinaus auf einen kahlen Flur, dessen einziger Schmuck eine kleine Wandbüste des Gründers der Stiftung, John D. Rockefeiler, war. Über eine Treppe gelangten sie wieder in den Keller und endlich in die Laborräume.
Die grell aufflammenden Leuchtstoffröhren rissen lange, kahle Arbeitstische aus dem Dunkel. Stühle standen in unregelmäßigen Abständen und Anordnungen davor, und hier und da schienen Restaurationsarbeiten in vollem Gange zu sein. Kein Mangel herrschte an Lupen, die an großen Schwenkarmen frei beweglich befestigt waren. Auf dem Regal über den Tischen drängten sich gläserne Chemikalienfla-sehen in allen Größen, teils braun, teils durchsichtig, mit sorgfältig von Hand
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