Das Jesus Video
er wandte sich mit sichtlich erwachender Hoffnung an den Schriftsteller:»Mister Eisenhardt, Sie haben schon den ganzen Tag nachgedacht — sind Sie zu irgendwelchen Schlüssen gekommen?«
Eisenhardt sah den Medienmagnaten traurig an. Es half alles nichts, er mußte ihm diesen Schmerz antun.
»Ja«, sagte er also.»Ich glaube, daß die Kamera, die wir suchen, nicht existiert.«
Sie hatten am Straßenrand angehalten, in der Nähe eines Tores durch die Altstadtmauer, das wie nachträglich hindurchgebrochen wirkte. Die Mauer selber ragte hellschimmernd und hoch wie ein mehrstöckiges Gebäude hinter Bäumen und Palmen auf, aus behauenen Steinen fest gefügt.
»Und du bist sicher, daß du es auf eigene Faust ins Lager zurück schaffst?«fragte Judith nochmal.
»Ja, klar«, versicherte George.»Es gibt schließlich Taxis. Und zur Not trampe ich.«Er hob den Daumen.»Ich bin durch halb Amerika getrampt, hey!«
»Also gut. Das dort ist das Neue Tor. Du gehst hindurch und geradeaus, bis eine größere Quergasse kommt. Dort geht es links, und nach etwa zweihundert Metern kommt dann die Grabeskirche. Es können auch zweihundertfünfzig sein, aber es gibt ein Schild.«
Sie sah den schmächtigen Mexikaner an, der keinen Blick mehr für sie übrig hatte. Er stand neben dem Wagen, tief atmend, als wolle er jeden einzelnen Augenblick durch jede Pore seiner Haut in sich aufsaugen, und hatte nur Augen für die gewaltige Mauer, die die Altstadt von Jerusalem umschloß, wie sie es seit Jahrhunderten tat.
»George? Alles klar?«vergewisserte sie sich.
»Alles klar«, nickte er. Einen Moment sah es aus, als begänne er zu torkeln, aber er wandte sich nur noch einmal um, fast mühevoll, beugte sich zu Judith hinunter, nahm ihre Hand und hauchte einen Kuß darauf.»Danke. Vielen Dank. Und dir auch, Stephen, vielen Dank.«
Damit ging er, langsam und traumtänzerisch. Man hätte glauben können, das Tor ziehe ihn mit magischen Kräften an, und als er in der dunklen Öffnung verschwand, sah es aus, als verschlucke es ihn.
»Was für ein Spinner«, kommentierte Stephen, als sie weiterfuhren.
Seine Argumente schienen seltsam wenig Eindruck zu machen. Nachdem er seine Überlegungen vorgetragen hatte -daß man nicht eine einzelne Person, sondern ein Team in die Vergangenheit schicken werde, und daß dieses Team, selbst wenn es aus irgendwelchen Gründen eines seiner Mitglieder habe zurücklassen müssen, auf jeden Fall die Kamera und vor allem die Aufnahmen mit zurück in die Zukunft genommen haben würde -, blickte er in Augen, die auf eine undefinierbare Weise unbeteiligt wirkten, fast amüsiert. Als wüßten sie es besser. So hatten ihn seine Eltern angeschaut, als er, fünf Jahre alt, auf den Einfall gekommen war, sie könnten doch selber Geldscheine zeichnen, damit Vater nicht soviel arbeiten müsse.
Eisenhardt spürte Ärger in sich aufwallen. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann war das diese Art von Überheblichkeit, dieses Red du nur! Und wenn ihm etwas eingefallen wäre, etwas richtig Fieses, Gemeines, Verletzendes, das er hätte sagen können, dann hätte er es gesagt. Aber ihm fiel nichts ein, und so schwieg er, hilflos, und wartete, daß jemand etwas dazu sagte.
Dieser Jemand war Professor WilfordSmith. Und er sagte nur:»Ich bin mir sicher, daß diese Kamera existiert.«Mit einer sanften, leisen Großvaterstimme.
Und John Kaun, der Herr über ein millionenschweres Firmenkonsortium, nickte nur beifällig und meinte:»Ja. Ich glaube fest, daß sie irgendwo da draußen ist.«
Nur Professor Goutiere sagte nichts. Er sah ihnen zwar zu, schien aber nichts mitzubekommen von dem, was sich abspielte. Was daran liegen mochte, daß er nachdachte, wie er angekündigt hatte. Vielleicht lag es aber auch nur an dem guten kanadischen Whisky.
»Ich habe Ihnen aber doch gerade erklärt, warum es höchst unwahrscheinlich ist, daß…«, brauste Eisenhardt auf.
»Peter«, unterbrach ihn Kaun mit bestrickender Verbindlichkeit,»ich sehe, daß Sie sich sehr Mühe geben, das Problem von allen Seiten zu überdenken — aber diese Art von Ergebnis brauchen wir nicht. Nichts, was uns demotiviert. Es ist alles logisch und so weiter, was Sie sagen, selbstverständlich. Aber im Grunde gibt es nur zwei Möglichkeiten — entweder, die Kamera ist dort irgendwo, oder sie ist es nicht. Im Grunde können wir das nicht wissen. Wenn es sie gibt, wird es schwierig genug sein, sie zu finden. Wenn wir aber anfangen zu glauben, daß es sie überhaupt
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