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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Ihres Vaters, der Angriff, den man auf Sie verübt hat, und der Brand – das wird man nicht gerade komisch finden.«
    »Ach nein? Ich könnte mich darüber totlachen.«
    Für eine kurze Sekunde hatte er beinahe Mitleid mit mir, dann vertiefte er sich wieder in seine Akten.
    Sophie und ich verließen eilig und ein wenig sprachlos die Gendarmerie, stiegen in den Audi, der auf dem Parkplatz stand, und durchquerten die Stadt, um zum Haus meines Vaters zurückzufahren. Die Feuerwehrleute und sogar die Schaulustigen waren immer noch da. Ich sprang eilig aus dem Auto und ging die Straße entlang auf den Feuerwehrmann zu, der mir schon am Morgen auf meine Fragen geantwortet hatte.
    »Gibt es wirklich keine Chance, dass irgendetwas im Keller unbeschadet geblieben sind?«, fragte ich flehentlich.
    »Das würde mich sehr wundern, mein Herr. Die wenigen Papiere, die von den Flammen verschont geblieben sein könnten, werden durch das Löschwasser vernichtet worden sein.« Ich verstand, was er meinte.
    »Kann ich bitte nachsehen gehen?«, riskierte ich zu fragen und wies schüchtern mit einem Finger in Richtung des Kellers.
    »Ausgeschlossen. Es ist glühend heiß da unten, und die Polizei hat alles für die Ermittlungen abgesperrt. Es waren doch nur Papiere, freuen Sie sich, dass es keine Opfer gegeben hat.«
    »Aber ja, es waren doch nur Papiere«, wiederholte ich und schaute Sophie mit kläglichem Blick an.
    Je länger dieser Tag dauerte, desto mehr verwandelten sich meine Panik und Verzweiflung in Entsetzen. Mir wurde allmählich der Ernst meiner Lage bewusst. Mein Vater war bei einem Unfall gestorben, der alle Anzeichen einer Straftat zeigte, dazu hatte man sein Haus in Brand gesteckt, vor allem den Keller, den Ort seiner Nachforschungen und den entscheidenden Ausgangspunkt für die Untersuchungen, die Sophie und ich anstellen wollten. Ich hatte überhaupt keine Idee, worin das Geheimnis meines Vaters bestehen konnte, aber eines wusste ich ganz sicher: Jemand riskierte einen entsetzlich hohen Preis dafür.
    »Los, fahren wir nach Hause, wir haben den ganzen Tag noch nichts gegessen!«, schlug Sophie vor und zog mich am Arm.
    »Erlauben Sie, dass ich Ihnen mit dem Motorrad folge?«, fragte ich unsicher, »wenn ich es hier lasse, kann Gott weiß was mit ihm geschehen.«
    Sie lächelte.
    »Eine Harley in meinem Garten? Na gut. Aber nur weil Sie so traurig und schutzbedürftig sind – ach nein! Ich scherze. Machen Sie mit Ihrer Maschine, was Sie wollen, mein Guter!«
    Sie ging zu ihrem Auto und ich stapfte zu meiner Electra hinüber. Während ich nach meinem Helm griff, fiel mir ein Mann auf, der mich anstarrte und den ich schon heute Morgen in der Menge der Schaulustigen gesehen hatte. Er sah, dass ich ihn bemerkt hatte und wandte den Blick nicht von mir ab, als ob er wollte, dass ich ihn anspreche.
    Der Mann war um die sechzig, mit grauen Haaren, und als ich mich auf Zehenspitzen stellte, um ihn besser betrachten zu können, erkannte ich den weißen Kragen unter seiner Jacke. Ein Priester.
    Als der letzte Löschwagen losfuhr, ging eine Bewegung durch die Menge, und ich verlor den Mann aus den Augen. Ich blickte mich noch einmal in der Menge um, aber er blieb verschwunden.
    Dann setzte ich meine Maschine in Gang, um Sophie, die zu ihrem Wagen am Ende der Straße ging, einzuholen. Sie stieg in ihr Auto, und ich folgte ihr bis zu ihrem Haus. Während der Fahrt, eingelullt von dem tiefen Brummen des Zweizylinders, fragte ich mich, wohin mich das alles noch führen würde. Ich war mir nicht sicher, ob ich Lust hatte, es herauszufinden. Eines war jedoch sicher: Trotz des Wahnsinns der letzten Tage, trotz meiner wachsenden Angst und trotz der offensichtlichen Gefahr war es schon sehr lange her, dass ich mich bei einer Frau so wohl gefühlt hatte.
    *
    François Chevalier war ein Freund, den ich in der Vorbereitungsklasse für die Hochschule kennen gelernt hatte. Unsere Liebe zu Alexandre Dumas und Umberto Eco, unser Hass auf Jean-Paul Sartre und Alain Robbe-Grillet, unsere Vorliebe für irische Pubs und Filme von Terry Gilliam hatte uns zusammengeschweißt. Eine Lebensart also, die ebenso vielfältig wie widersprüchlich war, und von unseren Mitschülern wenig beachtet wurde, doch unsere Freundschaft für lange Zeit besiegelte.
    Im Jahr nach unserem Kennenlernen bestand ich die Aufnahmeprüfung für die Ecole Normale Supérieure, während François an der Universität Politikwissenschaften zu studieren begann, womit er im Übrigen

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