Das Jesusfragment
protestierte ich.
»Wenn du deine Zustimmung bis zur vorgesehenen deadline nicht gegeben hast, ist das ein Grund für die Auflösung deines vermaledeiten Vertrags, Damien!«
Dave wurde selten ausfallend. Vermutlich glaubte er, dass ich alles vermasseln würde. Und was den Vertrag betraf, hatte er Recht. Vielleicht sind die Vereinigten Staaten ein Paradies für gut verdienende Drehbuchautoren, aber sie sind auch das Land, in dem die Autorenrechte am wenigsten geschützt sind. Von hier bis zu dem Punkt, an dem mir eine Armee von Anwälten der HBO mein Baby wegnehmen würde, war es nur ein kleiner Schritt, wenn mir keine Lösung einfiele. Obwohl ich als braves Mitglied der Künstlergewerkschaft relativ gut geschützt war, durfte ich nicht das Risiko eingehen, die Produzenten des Senders vor den Kopf zu stoßen.
»Ich bin fast fertig«, log ich und kniff die Augen zusammen. »Im Grunde genommen ist nicht viel zu ändern. Sag ihnen, sie sollen sich noch etwas gedulden. Ich bin gut vorangekommen, sei beruhigt.«
»Ich muss ihnen noch beute Abend etwas schicken«, unterbrach mich Dave. »Gib mir, was du hast, damit ich sie beruhigen kann.«
»Ich schicke dir alles – morgen«, schlug ich kühn vor, obwohl ich genau wusste, dass es mir unmöglich sein würde, auch nur irgendeines der Drehbücher bis zum nächsten Tag zu lesen und zu bearbeiten. »Morgen, Dave! Versprochen!«
Ich legte auf, bevor mein Agent Sophies Lachen vernahm, das sie nicht mehr zurückhalten konnte.
»Scheiße«, schimpfte ich. »Ich kann nicht.«
»Wir fahren ein anderes Mal nach Avignon«, schlug sie vor, »Sie müssen heute Abend unbedingt arbeiten, sonst bekommen Sie noch Probleme.«
»Nein, nein, ich muss auf andere Gedanken kommen. Außerdem war ich noch nie in Avignon. Es soll dort eine ungewöhnliche Brücke geben!«
Sophie zögerte nicht länger, und bald machten wir uns auf in die Papststadt, deren Atmosphäre und erlesene Gastronomie uns entzückten, ohne unsere Unruhe völlig vertreiben zu können.
Mit der Begeisterung eines Auswanderers entdeckte ich die Schönheit Avignons, das sich, hoch auf einem Felsendom gelegen, in ineinander liegenden Befestigungsringen ausdehnte, die mit Zinnen und Pechnasen verziert waren. Die majestätische gotische Architektur des Papstpalastes mit seinem riesigen Vorplatz, das Labyrinth der gepflasterten Straßen, die provenzalischen Läden im Quartier de la Balance.
Wir ließen uns in einem kleinem Restaurant am Ufer der Sorgue, hinter einer Reihe von Platanen nieder, durch die das Geräusch alter Wasserräder drang. Nachdem ich bereits bei Sophie einen Whisky getrunken hatte, lehnte ich jeden weiteren Tropfen Alkohol ab. Sophie begriff, dass ich ein gespaltenes Verhältnis zum Alkohol haben musste, als ich zweimal hintereinander Mineralwasser mit Kohlensäure bestellte. Wir besprachen das Thema nicht, aber ich entdeckte in ihrem Blick mehr Verständnis, als ich erwartet hatte.
»Warum sind Sie Journalistin geworden?«, fragte ich sie, um an etwas anderes zu denken, aber auch, weil ich mehr über sie erfahren wollte.
»Wegen Alan J. Pakula.«
»Wie bitte?«
»Haben Sie nie Die Männer des Präsidenten mit Robert Redford und Dustin Hoffman gesehen?«
»Den Film über Watergate?«
»Genau. Ich habe den Film gesehen, als ich fünfzehn war. Mein Vater hatte ihn auf Video aufgenommen. Er hat mir so gut gefallen, dass ich ihn mir gleich noch mal angesehen habe, dann wurde er zu meinem Kultfilm. Wissen Sie, der Film, den man tausend Mal gesehen hat.«
»Ja, für mich war es Die sieben Samurai!«, gestand ich lachend.
»Ich habe mir den Film mindestens einmal pro Woche angesehen«, fuhr sie fort, »und wenn man mich zu jener Zeit fragte, was ich später werden wollte, erwiderte ich: Journalistin bei der Washington Post.«
»Ich verstehe. Sie sind also Ihrem Kindheitstraum treu geblieben. Ich wollte Rockstar werden. Das war aber ziemlich abwegig.«
Der Kellner brachte uns den Nachtisch. Sophie zündete sich eine Zigarette an. Vermutlich rauchte sie zwei Schachteln pro Tag und hatte deshalb einen so blassen Teint. Aber im Grunde stand ihr das sehr gut. Es gehörte zu ihrer Persönlichkeit. Ohne ihre Augenringe und ihre blassen Wangen hätte Sophie nicht dieses hinreißende Aussehen im Stil der fünfziger Jahre gehabt.
»Wissen Sie, was mir in meinem Beruf als Journalistin am meisten fehlt?«
Ich schüttelte den Kopf und kostete dabei genüsslich einen Löffel meiner Crème brûlée.
»Das
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