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Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition)
Autoren: Andreas Krusch
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damit?«
    »Er brachte etwas zurück.«
    »Wer?«
    Vince sah die Anwältin intensiv an. »Der Mann in der Kirche, der mit den Handschuhen, er war kein Dieb. Er brachte nur etwas zurück, das Nona gehörte.«

    »Darf ich mich setzen?«
    »Es ist Ihre Küche.«
    Pater Simon nahm gegenüber der jungen Frau Platz.
    »Du bist früh auf.«
    »Sie auch.«
    »Ja, es ist einiges vorzubereiten. Zwei Taufen stehen heute an und der Gottesdienst natürlich ... Ah, ich sehe, du hast frischen Tee gemacht. Darf ich?« Der Pater goss erst ihr und dann sich ein. »Duftet wunderbar.«
    Nona nickte und legte die Hände um ihre Tasse. Sie blickte lange in das vom Tee gefärbte Wasser. »Ich hätte Sie gestern Nacht nicht so anschreien sollen«, sagte sie schließlich.
    »Und ich hätte nicht lügen sollen, nicht so lange Zeit.«
    »Fünfundzwanzig Jahre.«
    Er rührte bedrückt in seiner Tasse herum. »Gott, vergib mir ...«
    »Der hat mich auch belogen, trösten Sie sich.«
    »Nein, Gott lügt nicht, mein Kind. Das überlässt er uns.« Der Priester tippte auf einen Stapel Zeitungen neben sich auf dem Tisch. »Politiker, Industrielle, Banker, alle auf diesen Seiten lügen. Selbst der Wettermann!«
    Nona erwiderte sein Lächeln. Sie nahm die oberste Zeitung und blätterte darin herum. »Hier ist etwas herausgeschnitten, Pater.«
    »Nur einige Artikel für den Unterricht meiner Analphabetengruppe.«
    »Was für Artikel?«
    »Ach, nichts besonderes. Es geht ja nur um das Lesenüben.« Er nahm einen Schluck Tee. »Wie bequem war die Nacht auf den alten Sofas?«
    Sie rieb sich den verspannten Nacken. »Vince hatte wohl weniger Probleme damit.«
    Sie hörten ihn im Wohnzimmer schnarchen.
    Der Pater lachte. »Nicht ein einziges, wie es klingt!«
    Nona sah in den Sonnenaufgang, der durch das kleine Fenster die Küche erhellte. »Dafür verpasst er dieses wunderbare Licht.«
    »Leider kann auch ich es nicht länger genießen, mein Gottesdienst verlangt Vorbereitungen.« Pater Simon erhob sich. »Du kannst gerne an ihm teilnehmen.«
    »Ich möchte lieber noch ein wenig hier sitzen. Es gibt da ein paar Sachen, die gestern passiert sind ... ich möchte darüber nachdenken.«
    »Natürlich, natürlich! Und wenn du magst, reden wir später über diese Dinge. Also bleib hier, so lange du willst, fühl dich wie zuhause – und nimm dir endlich einen Keks!«

    Zwei Dinge hatte sie im Heim gelernt. Zu lügen und Lügner zu erkennen. Die junge Frau lächelte. Es war ein Kinderspiel, die Schlösser dieses alten Sekretärs zu öffnen.
    »Was machen Sie da, Nona?«
    Vince stand verschlafen in der Tür.
    »Ich versuche, was über meinen Vater herauszufinden.«
    »Im Schlafzimmer von Pater Simon?«
    »Er lügt noch immer, Vince.«
    Sie hielt ihm ein Schwarzweißfoto entgegen.
    Er ignorierte das Foto. »Ist das Ihr Dank für seine Gastfreundschaft?« Alle Fächer des Sekretärs standen offen. Er konnte es kaum glauben. »Sie schnüffeln in den Privatsachen eines Priesters herum, verdammt!«
    »Und die Sachen beweisen mir, dass er lügt – jetzt sehen Sie sich endlich das Foto an!«, verlangte sie.
    Vince brummte Unverständliches, während er nach rechts und links schaute, ob die Luft rein war. Dann trat er in das enge Schlafzimmer. Gleich neben der Tür stand ein einfaches Bett, gefolgt von einem großen Schrank aus dunklem Holz. In der Ecke gegenüber stand der Sekretär. Darüber hing ein Bild des Papstes. Es schien, als kniete Nona vor ihm, während sie den Sekretär durchwühlte.
    »Was soll mit dem Foto sein?« Er nahm es ihr aus der Hand. Auf dem vergilbten Papier waren drei junge Männer zu sehen. Sie standen vor einem Laster, der mit großen Holzkisten beladen war, dahinter eine imposante Kirche. Einen der Männer auf dem Foto erkannte Vince. »Der Pater. Aber viel jünger.«
    Sie nickte. »Genau wie mein Vater, rechts neben ihm.«
    »Das ist Ihr Vater?«
    »Er ist es.« Nona lächelte sanft. Für einen Augenblick wirkte sie richtig entspannt und zufrieden. Es war das erste Mal, dass Vince sie so sah, seit er sie gestern von der verregneten Kreuzung mitgenommen hatte.
    »Wie können Sie so sicher sein, dass er es ist? Er brachte Sie in dieses Heim, da waren Sie noch ein Baby. Und so weit ich Pater Simon verstanden habe, kam er danach nie wieder.«
    Sie lächelte immer noch, nun mit tränengefüllten Augen. »Ja, mein Vater kam nicht wieder, aber er schenkte mir etwas zu meinem achten Geburtstag. Das einzige, was er je ins Heim schickte ...« Sie gab
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