Das Joshua Gen (German Edition)
schmerzende Seite. »Darüber kann ich nichts sagen.«
»Ich denke, das können Sie doch. Sie wollen nur nicht. Gut, dann reden wir eben über meinen Vater.«
»Zu ihm habe ich dir schon alles gesagt.«
»Bis auf eine Kleinigkeit, Pater. Ein Foto von 1978, erinnern Sie sich?« Sie presste die Waffe wieder auf seine Rippen.
»Nur ein Schnappschuss«, murmelte er aufstöhnend.
»Sie müssen lauter sprechen. Vince da vorn möchte vielleicht auch erfahren, warum wir plötzlich so tief in der Scheiße sitzen, warum sich die Leichen um uns türmen, warum das alles mit den Worten meines sterbenden Vaters begann! ... Also, fangen wir noch einmal an. Wie war das mit diesem Foto?«
Der vernickelte Lauf berührte seine Schläfe, strich sanft seine Wange hinab. Der Priester sah Nona an. Ihr Blick war so kalt wie die Waffe in ihrer Hand.
»Es war nur ein Schnappschuss, eine Urlaubserinnerung. Dein Vater und sein Bekannter hatten ihre Semesterferien in Italien verbracht. Turin war der letzte Tag. Sie sprachen mich an, wir unterhielten uns lange über die Priesterausbildung. Dein Vater fragte, ob es den Teufel gibt. Ich bejahte. Meine Erfahrungen als Exorzist ließen keine andere Antwort zu.«
»Sie sind ein Exorzist?«
»Ich war einer, Vince, ja. Ich arbeitete mehr als zehn Jahre in diesem Beruf.«
Nona lachte schallend. »Teufelsaustreiber soll ein Beruf sein? Na, hoffentlich einer mit Krankenversicherung!«
»Du solltest über diese Dinge nicht scherzen. Mit jedem Jahr lässt der Vatikan mehr Exorzisten ausbilden. Und er hat allen Grund dazu ...«
Vince schauerte es. Er roch wieder die Luft unter der Kirche. Den Geruch aus dem offenen Karton, der voller Knochen gewesen war.
»Warum verfolgen Sie uns, Pater?«, fragte Nona den Priester.
»Und ihr? Weshalb brecht ihr meinen Sekretär auf? Weshalb stehlt ihr meine Unterlagen? Was wolltet ihr im Keller unter meiner Kirche?!«
Hasserfüllt schaute sie ihn an. »Einen Lügner wollten wir so überführen, einen gottverdammten Lügner!«
Der Priester lächelte plötzlich. »Und? Ist es gelungen?«
Sie schlug ihm die Waffe mitten ins Gesicht.
»Nona, nicht!«, rief Vince. »Hören Sie auf!«
»Er verarscht uns doch bloß, das verlogene Stück Dreck! Nur ein Urlaubsfoto – dass ich nicht lache!« Sie schlug noch einmal zu.
Vince bremste scharf. Nona flog hart gegen seine Rücklehne. »Was soll das?!«, schrie sie ihn an.
Er sah ihr wutverzerrtes Gesicht. »So finden wir Ihren Bruder nie.« Sein ruhiger Blick hielt ihren im Rückspiegel fest.
Schließlich ließ sie die Waffe sinken. »Ach, verdammt, geben Sie mir eine von Ihren Pillen.«
Sie stieg aus. Die Sonne war untergegangen. Sie sah sich um. Vielleicht hätte sie auf diesen spontanen Ausflug verzichten sollen. Die Straße war verwahrlost. Hinter den schmutzigen Fenstern fragte man sich bestimmt schon, was eine Weiße im Businessanzug hier zu suchen hatte. Und ob ein Blick in ihre Geldbörse lohnte. Nervös fuhr sich die Anwältin durchs Haar. Ein Abend in der South Bronx, tolle Idee, Mag!
Nur eine Straßenlaterne brannte. In umgestürzten Mülltonnen raschelten Ratten. Als wäre keine Zeit vergangen ... Je näher sie dem dunkel aufragenden Gebäude kam, desto langsamer ging sie. Wie Vince es zwei Monate vor ihr getan hatte, sah sie hinauf zu dem beleuchteten Kreuz auf dem Glockenturm. Ein Hoffnungsschimmer in der Nacht, flüsterte es aus seinen Notizen. Das flaue Gefühl in ihrer Magengegend wuchs. Sie ging auf die Kirche zu. Drei flache Steinstufen führten uns vor die hölzerne Kirchentür. Sie war sehr alt und voller Schnitzereien. Engel kämpften auf dem dunklen Holz. Die Fratze ihres Gegners war sehr plastisch gestaltet. Der Drache wirkte noch düsterer als der Rest der mächtigen Eingangstür.
Margaret stieß sie auf.
Im Vorraum stand jemand. Ein hagerer älterer Mann, kaum größer als Nona. Er hielt eine brennende Kerze in jeder Hand und entzündete damit Leuchter an den Wänden. Er trug die Kleidung eines Priesters. Das warme Licht der Kerzen umgab ihn wie eine Aura.
»Hallo, Pater Simon ...«
Sie blickte auf sein großes Porträtfoto zwischen den brennenden Leuchtern. Der Rahmen um das Foto war schwarz, und das hatte seinen Grund. Pater Simon war verstorben. Ein Text neben der Kondolenzliste klärte die Kirchenbesucher darüber auf. Sie hörte die Worte ihres Mandanten. Sie suchen einen roten Faden? Das ist er. Margaret nickte. Der Tod.
»Haben Sie den Pater gekannt?«
Sie zuckte
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