Das Joshua Gen (German Edition)
Er wandte sich an Margaret. »Haben Sie noch eine Minute Zeit?«
Haben Sie noch einen letzten Wunsch?, übersetzte ihre innere Stimme warnend, doch sie nickte. Denn so einfach käme sie nie wieder in diesen Keller.
»Keine Sorge, Sie müssen nichts tragen, nur mit der Taschenlampe leuchten. Es gibt immer noch kein Licht da unten.«
Sie zwang die Angst hinter das gegebene Versprechen, ihrem Mandanten zu helfen, und folgte dem jungen Priester.
Der Kellergang unter der Kirche verlor sich im Dunkeln. Die alte Taschenlampe in meiner Hand setzte immer wieder aus. Sie beleuchtete gerade noch den Boden vor unseren Füßen. Das bringt doch nichts!, sagte ich zu Nona. Lassen Sie uns umkehren, es sind zu viele Türen!
»Ja, sind wirklich viele ...«, antwortete Margaret, so wie Nona geantwortet hatte.
»Sagten Sie etwas?« Der Priester reckte sich über die Last in seinen Armen. Er war direkt hinter ihr.
Wir müssen sie auch nicht alle öffnen, Vince. Nur die ohne Staub auf den Klinken. Die, die regelmäßig benutzt werden. Wie diese hier.
Sie blieb stehen. Die Tür stand einen Spalt offen.
Nachtschwarz lag der Raum vor mir. Ich roch die alte Luft, fühlte den kalten Schweiß auf meiner Stirn.
Margaret fühlte ihn auch.
»Was ist? Warum bleiben Sie stehen?«
»Ach, nichts«, antwortete sie. Nur eine Panikattacke kurz vor dem Höhepunkt.
»Es ist nicht mehr weit. Die letzte Tür im Gang.«
Pater Christian ging mit dem Karton voraus. Altkleidersammlung stand auf seiner Seite. Sie starrte darauf. Und Vince rief. Menschliche Oberschenkelknochen, Schulterblätter, Rippen, Schädeldächer. Eine ganze verdammte Kiste voll! Ihr Herz hämmerte wild. Sie hatte genug gesehen. Sie wollte nur noch davonlaufen. Zu spät.
Der Priester kam zurück, kam schweigend auf sie zu. Mit dem großen Pappkarton. Margaret wurde kreidebleich. Jetzt bist du aufgeflogen, kleine Anwältin. Warum musstest du auch einem Kirchenorden hinterherschnüffeln? Er wird dich nun in diese Kiste stecken. Und er tut es mit einem freundlichen Gesicht. »Zu dumm, ich habe den Schlüssel für den Raum vergessen.« Pater Christian lächelte jungenhaft.
Ihre Anspannung löste sich in einem Lachanfall.
Der junge Priester blickte sie irritiert an. »Ich stelle dann den Karton erst einmal hier rein.« Mit dem Fuß schob er die Tür weiter auf, vor der sie am Anfang stehengeblieben war. Sie leuchtete in den Raum hinein und fühlte plötzlich unendliches Glück. Ganz hinten vor der mächtigen Steinwand reflektierte etwas den Schein der Taschenlampe. Die Karaffe funkelte rot im Licht. Neben dem Gefäß aus Kristall stand nur ein einziges Glas. Margaret kamen die Tränen. Sie hatte nun den Beweis. Vince war wirklich hier gewesen!
»Eine Kiste Knochen und eine alte Weinkaraffe?!« Dr. Burke nahm kopfschüttelnd hinter seinem Schreibtisch Platz. »Und damit wollen Sie bei den Geschworenen Eindruck machen?«
»Die Karaffe beweist, dass Vince in dem Keller war!«
»Schön, dann kommt Einbruch in eine Kirche eben auch noch auf seine Liste ... Miss Linney, das führt doch zu nichts. Alle, die Ihren Mandanten entlasten könnten, sind entweder tot, im Koma oder spurlos verschwunden. Lächerlich!«
»Ich finde es eher beweiskräftig. Das alles kann kein Zufall sein, Dr. Burke!«
Er betrachtete sie. Es war ihr unangenehm. Zu lange ruhte der Blick des Arztes auf ihr, abschätzend, analysierend, als würde er sie schon in einer seiner Akten sehen, mit der Aufschrift: PARANOID . In Zukunft würde sie darauf achten müssen, was sie ihm anvertraute.
»Seine Geschichte wird immer abstruser.« Er schob Vince’ neueste Notizen von sich weg. »Anfangs wurde sein Handeln noch von scheinbar äußeren Umständen bestimmt. Er traf auf eine junge Frau, er geriet durch sie in aberwitzige Situationen, ließ sie aber nie im Stich ... schön und gut. Doch dann übernimmt er selbst die Regie, macht die Sache zu seiner eigenen. Er sieht Kreuze auf Landkarten, er will nach Colorado, er glaubt, den fünften Jungen gefunden zu haben!«
Margaret zwang sich zur Ruhe. Sie schaute in die Spiegelung des Klinikleiters auf der gläsernen Schreibtischplatte.
»Er wollte Nona nur helfen, das ist alles«, sagte sie.
Dr. Burke schwieg sehr lange. In der Stille wirkte das Ticken der antiken Pendeluhr an der Wand hinter ihm wie der Countdown zu einer Explosion.
»Vince hat seinen Jungen verloren, Miss Linney.«
»Was?«
»Max, er hat ihn durch die Scheidung verloren. Das ist der wirkliche rote
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