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Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Krusch
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sollte er nicht solch eine Geschichte erzählen.«

    »Ich bin nicht normal. Darum passiert das alles.«
    »Was denn? Was passiert?«
    »Dass wir dauernd umziehen müssen, Dad, Mum und ich. Wir machen das, damit es aufhört. Damit es endlich aufhört!«, rief der Elfjährige.
    Sie tupfte den Schweiß von Nathans Gesicht.
    »Ist ja schon gut ...«, sprach sie beruhigend.
    »Es soll aufhören, Nona«, flehte der Junge in ihrem Arm. Sie streichelte seine heiße Stirn.
    »Wo sind meine Eltern?«, murmelte er im Fieber.
    Es zerriss ihr das Herz. Sie kämpfte mit den Tränen.
    »Sie ... sie sind schon vorausgefahren, Junge, zu eurem neuen Zuhause«, hörte sie Vince lügen.
    Nathan nickte schwach. »Ohne meine Krankheit müssten wir nicht umziehen. Aber jemand muss mich beobachtet haben und hat es herumerzählt.«
    »Was erzählt?«, wollte Garry wissen.
    »Dass es mich nicht wollte, das Wasser, das tiefe Wasser ...« Der Junge schlief an Nonas Schulter ein.
    Garry saß neben ihnen auf der Rückbank. Aus der Brusttasche seiner Wachmannuniform holte er eine zerknüllte Schachtel. »Sind noch zwei drin, Aspirin, die senken das Fieber ... aber ein Arzt wäre für den Jungen besser.«
    »Ein Arzt kann seine Krankheit nicht heilen, er muss in eine Kirche. Nur heiliger Boden kann –«
    »Halt dich da raus, Priester!«, herrschte Nona den Mann vorn auf dem Beifahrersitz an.
    Es wurde still im Taxi.
    Sie öffnete eine der kleinen Wasserflaschen und tat die zwei Aspirin hinein. Dann las sie in Vince’ Augen. Es stand immer dasselbe darin. Wenn er im Rückspiegel zu dem Jungen sah, sah er Nathans Eltern auf dem Wohnzimmerteppich in ihrem hübschen Haus am Jackson Lake, er sah die Löcher in ihren reglosen Körpern, er sah seine Waffe. Wie nur sollten sie es dem Jungen erklären? Eben noch hatte er Eltern gehabt, ein Zuhause ... Nona fühlte sich unendlich leer. Die Freude, ihren kleinen Bruder gefunden zu haben, war verschwunden. Genau wie die Freude, aus dem unterirdischen Labor entkommen zu sein. Es gab keine Freude mehr. Das Taxi fuhr den Highway hinab in eine staubige Ebene, so groß wie ein ausgetrocknetes Meer. Und mitten darin war ihr Gesicht, gespiegelt im Glas der Seitenscheibe.
    Garry blickte aus dem anderen Wagenfenster, einem anderen zerplatzten Traum nach. Musik erklang aus den Kopfhörern seines MP3-Players. Over the Rainbow ... Er hörte den Song sehr laut. Er bekommt wohl auch das andere Geräusch nicht mehr aus dem Kopf, dachte sie. Tausend saftige Kokosnüsse in einer Hydraulikpresse und ebenso viele Schreie. Selbst mit den Händen auf den Ohren hatte Nona das Sterben der riesigen Heuschrecke in dem Lift gehört.
    Sie sah hinaus in die Mojave-Wüste und dachte an den Ort, zu dem sie jetzt unterwegs waren. Dort gab es keine Fahrstühle. Nur tiefe Wälder, steile Klippen und die einsame Hütte von jemandem aus Vince’ Vergangenheit. Ein Vietnamveteran. Er hatte der Zivilisation den Rücken gekehrt. Würde es das sein, was auch ihnen nur bliebe? Wie würde die Horrorwoche bloß enden? Behörden aus wie vielen Bundesstaaten waren hinter ihnen her? Wäre all das auch passiert, wenn sie den Zettel mit dieser Zimmernummer einfach weggeworfen hätte, wenn sie ihren Vater nicht getroffen hätte? Sie schloss die Augen. Ein Flüstern war bei ihr. Gib es auf, dir über Gott und die Welt das Hirn zu zermartern. Über dich denke nach. Sortiere dich heraus aus allem. Wer ist derjenige, der alles in dir für sich reklamiert, der bestimmt: Mein Gott, mein Verständnis, mein Denken, meine Seele, mein Körper! Lerne: Woher kommen Depression und Gelöstheit, Liebe und Hass? Woher stammen die Schlaflosigkeit und das Schlafenmüssen, ohne beides zu wollen? Woher Wuthaben und Gernhaben, ohne je eines zu wollen? Durchdenke dies präzise, und du wirst dich finden. Und mich. Nathan sah sie an. Der Junge lächelte. Er hatte die seltsamen Worte gesprochen.
    Pater Simon hatte sie auch gehört. Bleich geworden starrte er den Jungen an. Seine Stimme zitterte.
    »So nah bist du schon ...«
    Sein Gesicht verunsicherte Nona mehr als Nathans Worte. Es zeigte pures Entsetzen. Es log nicht. Er log nicht. Sie sah es. Dieser Mann hatte panische Angst. Er wandte sich zu Vince. »Wir müssen in eine Kirche. Fahren Sie schneller, wir müssen sofort in eine Kirche!«
    »Was sollen wir denn jetzt in einer Kirche, verdammt?!«, entgegnete Vince barsch.
    »Die Worte des Jungen ... die Worte.« Hastig bekreuzigte sich der Priester.
    »Herrgott, er hat eben

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