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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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der Mathematik. Um das Experiment erfolgreich durchzuführen, bedarf es einer Reihe technischer Fertigkeiten, dazu einer soliden Erfahrung mit Experimentalphysik. Selbst das Wort »Teilchen« hat eine fachspezifische Bedeutung, es hat nichts mit dem bequemen Bild von einer Art kleinem Kugellager zu tun. In welchem Sinn also können Wissenschaftler angeblich wissen, wie sich das Universum auf der Ebene so geringer Größenordnungen verhält, dass kein Mensch es unmittelbar wahrnehmen kann? Das ist nicht so, als ob man durch ein Fernrohr blickt und sieht, dass da vier kleinere Körper um den Jupiter kreisen, oder als ob man beim Blick durch ein Mikroskop erkennt, dass Lebewesen aus winzigen Zellen bestehen. Der Beweis für das Higgs wie für die meisten grundlegenden Aspekte der Wissenschaft liegt nicht klar auf der Hand.
    Um uns über diese Fragen Klarheit zu verschaffen, wollen wir einen Blick auf das Wesen wissenschaftlicher Kenntnisse werfen und dabei vertrautere Beispiele als das Higgs verwenden. Dann werden wir zwei grundlegend verschiedene Arten unterscheiden, über die Welt zu denken, und das wird das durchgehende Thema dieses Buches sein.
    Die Wissenschaft wird oft für eine Sammlung von »Fakten« gehalten, die eindeutige Aussagen über die Welt machen. Die Erde umkreist die Sonne. Prismen spalten das Licht in die Farben auf, aus denen es sich zusammensetzt. Wenn es schnattert und watschelt, ist es eine Ente. Man braucht nur die Fakten herauszufinden, das Fachkauderwelsch zu lernen (hier Orbit, Spektrum, Anatidae ), die Kästchen anzukreuzen, und man versteht die Wissenschaft. Die Verwaltungsleute in der Regierung, die für die Bildung zuständig sind, befleißigen sich oft dieser Sichtweise, weil sie die Kreuzchen zählen können.
    Sonderbarerweise kommt der heftigste Widerspruch gerade von den Wissenschaftlern. Sie wissen, dass Wissenschaft nichts dergleichen ist. Es gibt keine Fakten, die ein für alle Mal feststehen. Jede wissenschaftliche Aussage ist vorläufig. Politiker verabscheuen das. Wie soll man den Wissenschaftlern trauen? Wenn neues Beweismaterial auftaucht, ändern sie ihre Meinung.
    Natürlich sind manche Teile der Wissenschaft weniger provisorisch als andere. Kein Wissenschaftler erwartet, dass sich die gängige Beschreibung der Erdgestalt über Nacht von »rund« zu »flach« ändert. Aber sie haben schon mitangesehen, wie sie sich von einer flachen Ebene zu einer Kugel wandelte, von einer Kugel zu einem an den Polen abgeplatteten Sphäroiden und von einem perfekten Sphäroiden zu einem huckeligen. Unlängst war in der Presse zu lesen, dass die Erde die Form einer knolligen Kartoffel hat.* [* Unter der Voraussetzung, dass alle Unregelmäßigkeiten um den Faktor 7000 übertrieben werden.
http://www.newscientist.com/article/dn20 335-earth-is-shaped-like-a-lumpy-potato.html.] Andererseits wäre niemand überrascht, wenn neue Messungen ergäben, dass die siebzehnte sphärische Harmonische der Erde – ein Bestandteil der mathematischen Beschreibung ihrer Gestalt – um zwei Prozent vergrößert werden muss. Die meisten Veränderungen in der Wissenschaft schreiten allmählich voran und haben keinen Einfluss auf das Gesamtbild.
    Manchmal jedoch ändert sich die wissenschaftliche Weltsicht radikal. Aus vier Elementen wurden 98 (jetzt 118, nachdem wir gelernt haben, neue zu erzeugen). Newtons Gravitation, die Kraft, die auf rätselhafte Weise aus der Entfernung wirkte, wandelte sich zu Einsteins gekrümmter Raumzeit. Elementarteilchen wie das Elektron wurden von winzigen festen Kugeln zu Wahrscheinlichkeitswellen, und heute gelten sie als örtlich begrenzte Anregungszustände eines Quantenfeldes. Das Feld ist ein Meer von Teilchen, und die Teilchen sind isolierte Wellen in diesem Meer. Das Higgs-Feld ist ein Beispiel: Hier sind die zugehörigen Teilchen Higgs-Bosonen. Das eine gibt es nicht ohne das andere: Wenn man Teilchenphysiker sein will, muss man auch die Physik des Quantenfeldes verstehen. Und so bekommt das Wort »Teilchen« notwendigerweise eine andere Bedeutung.
    Wissenschaftliche Revolutionen verändern nicht das Universum. Sie verändern die Art, wie Menschen es interpretieren. Die meisten wissenschaftlichen Streitpunkte drehen sich um Interpretationen, nicht um »die Fakten«. Beispielsweise bestreiten viele Kreationisten nicht die Ergebnisse der DNS -Sequenzierung* [* Statt DNS (für Desoxyribonukleinsäure) wird neuerdings oft auch die englische Abkürzung DNA (mit A für acid )

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