Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
konstruierter Hardware, sind ebenfalls fehlerbehaftet. Die Signale, die das Hirn an den Körper sendet, leiden unter unvermeidlicher Streuung. Versuchen Sie, einen Golfball hundertmal mit einem Zehn-Meter-Put einzulochen. Sie werden das Loch nicht jedes Mal treffen. Manchmal gelingt es Ihnen vielleicht, manchmal werden Sie knapp danebentreffen, manchmal aber weiter vorbeischlagen. Berufsmäßige Golfspieler verdienen eine Menge Geld damit, dass sie diese Streubreite gegenüber uns anderen geringfügig verringern.
Dieselbe Streuung kommt ins Spiel, meistens in übersteigerter Form, wenn es um gesellschaftliche und politische Urteile geht. Hier ist das Verhältnis »Rauschen zu Signal« sogar noch höher. Wir müssen nicht nur sämtliche zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen; wir müssen entscheiden, was davon Sinn hat und was Müll ist. Wie jongliert das Hirn mit allen diesen einander widersprechenden Informationen und kommt zu einer Entscheidung? Eine Theorie, die gegenwärtig einiges davon erklärt und durch viele Experimente gestützt wird, besagt, dass das Gehirn gut als Bayes’sche Entscheidungsmaschine modelliert werden kann.
Man kann nicht sagen, jedes Naturphänomen sei dasselbe wie ein formales mathematisches Modell, allein schon deshalb, weil die Mathematik ein System menschlichen Denkens ist, die Natur aber nicht. Die Bayes’sche Entscheidungstheorie ist ein Zweig der Mathematik, eine Methode, Wahrscheinlichkeiten und Statistik zu formulieren. Das Hirn ist ein Netzwerk aus Nervenzellen, dessen Dynamik von Chemie und elektrischen Strömen abhängt. Dies im Sinn, hat es den Anschein, dass unsere Hirne im Lauf von Jahrmillionen Netzwerke entwickelt haben, die den mathematischen Eigenschaften der Bayes’schen Entscheidungstheorie nachgebildet sind. Wir können feststellen, ob solche Netzwerke existieren, haben aber vorerst wenig Ahnung, wie sie wirklich funktionieren.
Im 18. Jahrhundert bewirkte Reverend Thomas Bayes unwissentlich eine Revolution in der Statistik, als er eine neue Interpretation der Wahrscheinlichkeit vorschlug. Damals war dies ohnehin ein vages Konzept, doch man stimmte weithin überein, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses auf lange Sicht als Verhältnis der Versuche, bei denen das Ereignis eintritt, zur Gesamtzahl der Versuche definiert werden kann. Ziehen Sie Milliarden Male eine Karte aus einem Stoß Karten, und Sie erhalten das Pik-As ungefähr einmal in 52 Fällen. Dasselbe gilt für jede andere bestimmte Karte, und der Grund dafür ist, dass es 52 Karten gibt* [* Wenn Sie ein Bridge-Blatt verwenden, versteht sich. – Anm. d. Übers. ] und schwer einzusehen ist, warum eine bestimmte Karte öfter als andere erscheinen sollte.
Bayes hatte einen anderen Einfall. Es gibt viele Umstände, bei denen man einen Versuch nicht viele Male wiederholen kann. Wie hoch, beispielsweise, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gott existiert? Wie auch immer unsere Ansichten sein mögen, wir können nicht Milliarden von Universen erschaffen und nachzählen, wie viele davon eine Gottheit haben. Eine Möglichkeit, mit solchen Problemen umzugehen, ist die Feststellung, dass solche Wahrscheinlichkeiten bedeutungslos sind. Doch Bayes argumentierte, dass man in vielerlei Zusammenhängen einem nur einmal möglichen Ereignis eine Wahrscheinlichkeit zuordnen kann: Es ist der Grad, in dem man an das Eintreffen des Ereignisses glaubt. Stärker formuliert, wenn es echte Indizien gibt, ist es der Grad, in dem man den Indizien vertraut. Wir treffen immerzu derlei Urteile aus dem Stegreif, beispielsweise wenn wir annehmen, dass die spanische Fußballmannschaft eine etwa fünfundsiebzigprozentige Chance hat, den Europacup zu gewinnen, oder dass die Wahrscheinlichkeit für Regen heute gering ist.
Bayes nun fand etwa Mitte des 18. Jahrhunderts eine mathematische Formel, die es diesen »A-priori-Wahrscheinlichkeiten« erlaubte, eine verlässliche Information zu modifizieren, die auf anderen Wegen gewonnen wurde. Ein Freund von ihm veröffentlichte die Formel 1763, zwei Jahre nach Bayes’ Tod. Nehmen wir an, Sie wissen, dass Spanien bisher etwa 60 Prozent aller großen Fußballturniere gewonnen hat (wir greifen die Zahl nur zur Veranschaulichung aus der Luft), aber Sie haben auch eine Ahnung, dass die Mannschaft dieses Jahr viel besser spielt als sonst. Bringen Sie beides zusammen, und Sie schätzen die Chancen der Spanier höher ein.
Die Bayes’schen Schlussfolgerungen können alledem Zahlen
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