Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
verlangt. Das kopernikanische Prinzip erinnert zusätzlich daran, was man nicht voraussetzen sollte. Es gilt nicht immer, aber es durchlöchert unser Gefühl, uns wichtig zu finden.
Breite philosophische Prinzipien wie die von Kopernikus und Ockham sind Richtlinien, keine starr geltenden Regeln. Und als hätte man es geahnt: Kaum hatten wir uns allmählich daran gewöhnt, im großen Ganzen der Dinge ziemlich gewöhnlich zu sein, tauchen Hinweise auf, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Vielleicht sind wir doch etwas Besonderes. Vielleicht befindet sich die Erde tatsächlich in einer privilegierten Position oder einem privilegierten Zustand. Vielleicht muss sie das.
Als diese Denkweise um sich gegriffen hatte, schienen wir derart besonders zu sein, dass das ganze Universum anscheinend auf genau die Art und Weise funktionieren muss, die nötig ist, damit … wir entstehen. Es ist, als wäre das Universum mit Blick auf den Menschen erschaffen worden.
Für Leute mit religiöser Überzeugung war das keine große Neuigkeit, und sie begrüßten die teilweise Bekehrung der wissenschaftlichen Welt mit offenen Armen. Doch selbst Atheisten freundeten sich mit dem Gedanken an, dass es uns nicht gäbe, wenn das Universum auch nur ein wenig anders wäre, als es ist. Es gibt sogar ein allgemeines Prinzip, ein entschieden nicht kopernikanisches, welches man verwenden kann, um diese Behauptungen zu rechtfertigen. Es wird »das Anthropische Prinzip« genannt.* [* Man findet mitunter auch die Bezeichnung »anthropogenisch«, also die Entstehung oder Hervorbringung von Menschen betreffend. – Anm. d. Übers. ]
Davon gibt es zwei Spielarten. Das Schwache Anthropische Prinzip stellt fest, dass das Universum von einer Beschaffenheit sein muss, die die Entstehung von Wesen wie uns ermöglicht, denn andernfalls gäbe es uns nicht, und niemand könnte unbequeme Fragen stellen. Das Starke Anthropische Prinzip stellt fest, dass das Universum in gewissem Sinn für uns entworfen wurde. Wir sind nicht einfach ein zufälliges Nebenprodukt, wir sind der Zweck von alledem. 1986 stellten John Barrow und Frank Tipler eine beeindruckende, in höchstem Grad technische Analyse zusammen: Das anthropische kosmologische Prinzip . Darin wird die Ansicht erörtert, dass unser Universum – im Gegensatz zu zahllosen denkbaren Alternativen – in mehrerlei Hinsicht einmalig genau austariert ist, damit Leben entstehen kann. Viele Wissenschaftler und die meisten Kosmologen scheinen sich dieser Annahme inzwischen anzuschließen.
Ein einfaches Bild veranschaulicht das. Nehmen Sie einen glänzenden Metallstab und ein scharfes Messer. Legen Sie den Stab auf des Messers Schneide und versuchen Sie ihn zu balancieren. Es wird Ihnen nicht gelingen. Wenn sich der Schwerpunkt des Stabs nicht exakt über der Schneide befindet, wird sich der Stab neigen, rutschen und zu Boden fallen.
Das Leben ist auf einer kosmischen Messerschneide ausbalanciert.
Weniger sinnbildlich: Die Naturgesetze sind äußerst fein abgestimmt. Man braucht nur irgendeine der fundamentalen Naturkonstanten um das winzigste bisschen zu ändern, und die subtilen Kreisläufe des Lebens versagen. Rücken Sie die Menschheit einen Mikrometer von der kosmischen Perfektion weg, und sie stürzt ins Nichts.
Diese menschenbezogene Sicht auf das Universum wird von einer menschenbezogenen Sicht auf die Menschen begleitet. Vergessen Sie alle die sonderbaren und wundervollen Außerirdischen, wie sie die Science Fiction bevölkern, die in den Wasserstoff-Helium-Atmosphären von Gasgiganten oder auf eiskalten Welten leben, so weit von ihren Sonnen entfernt, dass die Temperatur kaum über dem absoluten Nullpunkt liegt. Es ist viel einfacher. Die einzigen denkbaren Außerirdischen werden uns ganz ähnlich sein. Sie werden auf einer steinernen Welt mit Ozeanen und einer Menge Sauerstoff in der Atmosphäre leben. Diese Welt wird sich in der gerade richtigen Entfernung von ihrer Sonne befinden müssen, in der bewohnbaren (oder Goldlöckchen-)Zone. Die Welt wird ein starkes Magnetfeld brauchen, um die Strahlung einzudämmen, einen großen Begleiter wie unseren Mond, um ihre Achse zu stabilisieren, und einen Gasgiganten wie den Jupiter im gleichen System, der sie vor Kometen schützt.
Die Sonne der Außerirdischen wird auch etwas Besonderes sein müssen. Eigentlich unserer Sonne bemerkenswert ähnlich. Nicht nur in Bezug auf ihren Spektraltyp, ihre allgemeine Gestalt, Größe und die Art der in ihr
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