Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Sophistische Widerlegungen) von Gesetz und Argument. Die Abhandlung, die Geist und Materie verband, Über die Seele , wurde erst im 14. Jahrhundert übersetzt und daher tausend Jahre lang in den traditionellen »Werken des Aristoteles« der westlichen Welt ausgelassen, da diese ausschließlich auf Boethius beruhten. Sie wurde zwar 1352 von Jean Buridan aus dem Arabischen übersetzt – damals befanden sich alle großen Bibliotheken in Arabien und Spanien, und der Islam erlebte eine Blütezeit. Dennoch wurde dieser Text damals nicht den üblichen »Werken des Aristoteles« hinzugefügt.
In Sonderheit hatte Descartes Zugang zu Kategorien und Über die Auslegung , aber nicht zu Über die Seele oder zur Abhandlung Über Sinneswahrnehmung und ihre Gegenstände , die eine Reihe schöner Brücken zwischen Geist und Körper bot. Also glaubte er sich frei von vorgefassten Ansichten, kannte aber in Wahrheit nur einen Teil von Aristoteles’ gewichtigen Argumenten und trennte daher den Geist von der Materie. Das legte den sicheren Grundstein für diese intellektuelle Trennung bis hin zu Norbert Wiener und der Kybernetik, wo Rückkopplung und Maschinerie sich trafen.
Der Zufall, dass Über die Seele weder Descartes zugänglich war noch Francis Bacon, als er 1620 das auf den sechs von Boethius übersetzten Büchern fußende Neue Organon veröffentlichte, veränderte für die folgenden vierhundert Jahre das ganze intellektuelle Klima in Europa. Von Newton bis hin zu Einstein verschwendete die Physik keinen Gedanken an die Information. Shakespeare, Samuel Taylor Coleridge bis hin zu Kingsley Amis, John Betjeman und Philip Larkin sprachen von Maschinen und Industrie, aber nur aus der Sicht von außen.
Die beiden Welten, Geist und Materie, trafen sich erst mit Sigmund Freud und Carl Gustav Jung, die sich in keiner der beiden Welten befanden (und keineswegs in beiden). Und dann, nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele Wissenschaftler mit Fragen der Kommunikation beschäftigt gewesen waren, veröffentlichte Claude Shannon Artikel, in denen Information als ein quantitatives Konzept behandelt wurde. Bald darauf kam die Kybernetik, in der Rückkopplung von Information im Wechselspiel mit Verstärkung und anderen physikalischen Veränderungen zu Veränderungen beim Output führt. Das Sicherheitsventil an einem Kessel war ein frühes Beispiel: Wenn der Druck zu groß wurde, ließ das Ventil etwas Dampf entweichen. Wiener fügte Zimmerthermostate hinzu, die die Wärme ein- und ausschalteten. Fast alle Schallverstärker benutzen Rückkopplung, um den Output wieder beim Input einzuspeisen und so die Klangqualität zu verbessern.
Hier wird Information verwendet, um mechanische Systeme zu steuern, was eine ganz neue Dimension technischer Zauberei ins Spiel bringt. In jedem Laptop, iPhone und übrigens auch in jedem Kühlschrank ist eine lange, komplexe Folge von »Zaubersprüchen« verborgen: die Software-Befehle, die die ganze Mehrzweck-Elektronik dazu bringen, spezifische Aufgaben zu erfüllen, welche für die Funktion des Gerätes benötigt werden. Programmierer sind die Zauberer von heute.
Aber noch niemand dachte damals, die Linguistik könne etwas mit dieser Art von Information zu tun haben. Erst um die Jahrtausendwende schrieb Steven Pinker, ein Sprachpsychologe, Wie das Denken im Kopf entsteht vom neurologischen und linguistischen Blickpunkt aus. Nach dreihundertundfünfzig Jahren hatten sich die beiden Seiten ertragreich getroffen.
Später schrieb Pinker Gewalt: eine neue Geschichte der Menschheit und führte darin aus, die Menschen von heute seien signifikant weniger gewalttätig als früher. Das Buch präsentiert eine Vielzahl von Daten, um diese Behauptung zu stützen. Fast alle Rezensionen widersprechen; sie alle stammen von Leuten, die der Statistik gegenüber blind sind. Sie sprechen von dem sehr sichtbaren Rückgang von Gewalttätigkeit in den letzten paar Jahrhunderten, als wäre er nur scheinbar. Fast keiner dieser Kommentare erfolgt aus Positionen heraus, die modern und ausgewogen sind; sie alle gehen von humanistischen oder wissenschaftlichen Standpunkten aus, aber nicht von beiden.
Nachdem nun die Trennung zwischen Geist und Materie begraben oder zumindest auf dem Wege zum Friedhof ist – wie denken wir über die Kausalität? Hier also kommt unser zweites Beispiel, welches sich in drei zusammenhängende Themen aufspaltet: Tag und Nacht, der Regenbogen und das Betätigen eines Lichtschalters.
Was verursacht Tag und
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