Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
prüfen, ob beide Male dieselben Ereignisse stattfinden. Es ist ein brauchbarer Unterschied für die Art, wie wir über unsere Welt denken , welche Modelle wir aufstellen, aber es ist keine sinnvolle Aussage über die Welt selbst.
Wir könnten alle möglichen Beispiele für Ereignisse nehmen und ihre Herkunft erörtern: was sie bewirkt. Hier betrachten wir drei. Das erste Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, in der realen physischen Welt eine Ursache zu demonstrieren, weil winzige Ereignisse gewaltige Folgen haben können. Das zweite zeigt, wie in unserer sozialen Welt kleine Ereignisse – oder das Fehlen solcher Ereignisse – ein soziales Universum in ihre Gewalt bringen und vom wünschenswerten Ergebnis ablenken können. Schließlich werden wir zeigen, wie menschliche Eingriffe biologische Systeme vollständig verändern können – und wir meinen nicht die Dodos.
In den 1960er-Jahren entdeckte Edward Lorenz, ein Mathematiker, dass winzige Unterschiede beim Input für Wettervorhersagen (im konkreten Fall für ein einfaches Vorhersagemodell) zu großen Änderungen bei der resultierenden Vorhersage führen können. Aus dieser Entdeckung und einer Anzahl anderer Quellen ergab sich die Mathematik des deterministischen Chaos. Wir alle haben gehört, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings in Tokio einen Monat später einen Tornado in Texas verursachen kann. Das ist ein schönes, dramatisches Beispiel, deutet die Kausalität aber ziemlich falsch. Es legt nahe, nur jener Schmetterling werde für den Tornado benötigt, dabei ist es in Wahrheit der Unterschied , den der Schmetterling ausmacht, der die Umstände ganz geringfügig verändert und das Gleichgewicht der Kausalität auf einen anderen Weg lenkt, eine unterschiedliche Bahn auf demselben Attraktor. In der Wirklichkeit ist unsere Welt voller Schmetterlinge.
Das Wetter ist ein dynamischer Weg durch den Attraktor, den wir Klima nennen. Solange das Klima unverändert bleibt, ändert sich der Attraktor nicht, aber der Weg hindurch kann sich ändern. Wir erleben dann dieselbe Art Wetter, aber in anderer Reihenfolge. Klimawandel ist drastischer: Er verändert den Attraktor. Jetzt ist das ganze Spektrum der möglichen Wetterverläufe anders. Nichtsdestoweniger sieht vieles davon noch nach plausiblem Wetter aus dem alten Attraktor aus, weil der Attraktor vielleicht gar keine radikale Veränderung durchmacht – er braucht nicht an einen Kipp-Punkt zu kommen. Er kann ein bisschen größer, ein bisschen kleiner werden oder sich ein wenig verschieben. Wir können Attraktoren nicht direkt beobachten, sie aber mathematisch aufgrund von Beobachtungen rekonstruieren, die auf die richtige Weise verarbeitet werden. Die einfachste Methode, die Veränderung zu entdecken, besteht darin, die Langzeit-Mittelwerte der Temperatur zu beobachten, Größe und Häufigkeit von Hurrikanen, die Wahrscheinlichkeit von Überflutungen. Viele Einwände gegen den »Klimawandel« verwechseln Klima mit Wetter.
Wir haben in Darwin oder die Götter der Scheibenwelt eine lange Passage über Kausalität geschrieben und wollen sie hier nicht wiederholen. Es genügt zu sagen, dass es für kein Ereignis eine einzige Ursache gibt. Es kommt der Wahrheit fast immer näher, wenn man erklärt, dass alle vorangegangenen Ereignisse beigetragen haben, statt auf eine einzige Ursache zu verweisen. Geschichten jedoch haben eine lineare Struktur: A bewirkt B bewirkt C … In den Gerichten häufen sich solche Geschichten, ebenso in den meisten Romanen, fast in allen Kriminalgeschichten und in der Science Fiction. Sogar Scheibenweltgeschichten stützen sich auf diese literarische Kausalität, um ein stimmiges Ganzes zu ergeben. Das liegt daran, dass wir der geschichtenerzählende Affe sind. Eine Geschichte ist eine lineare Abfolge von Worten. Es ist interessant, ob eine hoch entwickelte außerirdische Kultur notwendigerweise solche fälschlicherweise linearen Geschichten zusammenbrauen würde. Könnte man Ereignissen immer drei oder vier, zehn, zwanzig oder tausend Ursachen zuordnen? Oder ist das die Art, wie der geschichtenerzählende Affe die Kausalität sieht?
Wenn wir wirklich in einem deterministischen Universum leben – was immer das heißen mag –, dann ist jeder einzelne Zustand das unvermeidliche Ergebnis des vorangehenden Zustandes einschließlich solch geringfügiger Ursachen wie der Schwerkrafteinflüsse ferner Sterne, ja sogar der Schwerkrafteinflüsse von Lebewesen auf den Planeten ferner Sterne.
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