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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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Dieses Bild steht im Einklang mit gewissen Darstellungen des Universums, wo das, was für manche Elemente (Raumschiffe, die sich der Lichtgeschwindigkeit nähern, sind beliebte Beispiele) die Zukunft ist, für andere links ist, während rechts vergangene Ereignisse liegen. Also ist jedes Ereignis schon »da«, im selben Bezugsrahmen. Das ganze Universum wird dabei als eine ausgedehnte kristalline Struktur dargestellt, in der die Zukunft ebenso determiniert ist wie die Vergangenheit.
    Wir finden diese Darstellungsweise ebenso unbefriedigend wie das Bild von der sich immer wieder teilenden Hose der Zeit. Historisch gesehen stammt manches davon aus einer Fehldeutung von Einsteins Konzept einer Weltlinie in der Relativitätstheorie, einer feststehenden Kurve durch die Raumzeit, die die gesamte Geschichte eines Teilchens beschreibt. Eine Kurve, mit Einsteins Gleichungen berechnet, also eine Geschichte, ja? Es ist ein brauchbares Bild in einer Welt mit nur einem Teilchen, dessen Zustand exakt, mit unendlich vielen Dezimalstellen gemessen werden kann. Für das riesige, komplexe Universum ist es nicht sinnvoll. Wenn man eine Kurve in der Raumzeit zu zeichnen beginnt und sie sich in dem Maß, wie sie zunimmt, entwickeln lässt, hat man möglicherweise in jeder einzelnen Phase keine Ahnung, wo sie sich als Nächstes hinwenden wird, keine Möglichkeit, ihren künftigen Weg vorherzusagen. Einsteins Gleichungen nützen da nichts, weil man den gegenwärtigen Zustand des Universums nicht exakt messen kann. Das ist, wenn der Begriff denn irgendeine sinnvolle Bedeutung haben soll, kein deterministisches Universum, aber nach unendlicher Zeit bekommt man genau eine Kurve, eine Weltlinie – ganz wie zuvor.
    Vor die Wahl zwischen zwei Extremen gestellt – eine Welt des Zufalls oder eine vollständig vorherbestimmte –, finden die meisten von uns an beiden keinen Gefallen. Keine von beiden passt zu unserer Erfahrung. Damit ist keine von ihnen widerlegt, aber es zeigt den springenden Punkt: Jedes theoretische Modell muss unsere tagtäglichen Erfahrungen erklären. Es kann durchaus zeigen, dass tief unten die Dinge anders sind, als wir annehmen. Es muss jedoch erklären, wie sich unsere Annahmen aus dem Modell ergeben, selbst wenn sie eine Fehldeutung dessen sind, was »wirklich« im Modell geschieht. Die Standardbehauptung, die Wissenschaft habe gezeigt, dass Atome größtenteils aus leerem Raum bestünden, beweist zum Beispiel keineswegs, dass die scheinbare Festigkeit eines Tisches eine Illusion sei. Man muss auch erklären, warum er uns fest erscheint; dann entdeckt man, dass der leere Raum durchaus nicht leer ist, sondern erfüllt von Quantenfeldern und Kräften. Ebendas bedeutet »fest« auf dieser Ebene der Beschreibung.
    Wir fänden also gern einen Seitenweg, eine wahlweise Indeterminiertheit bei den Ereignissen, und sei es nur, um unsere Illusion eines freien Willens zu hegen. Wir möchten gern denken, dass auf einer passenden Ebene der Beschreibung das, was wir entscheiden, nicht einfach das ist, was wir tun müssen .
    Beunruhigenderweise hätte der große (wenngleich manchmal fehlgeleitete) Philosoph René Descartes diesem Ansatz Sympathie entgegengebracht, und zwar deshalb, weil er die Welt in zwei getrennte Aspekte unterteilte, res cogitans und res extensa , Geist und Materie. Res cogitans , der Geist, musste bei ihm ungebunden sein, damit er dem Körper, res extensa , Anweisungen erteilen konnte. Im Gegensatz dazu, meinte Descartes, gehe vom Körper wenig oder gar kein Einfluss in die Gegenrichtung aus.
    Man muss sich vergegenwärtigen, welche Wechselfälle der Geschichte bei Descartes zusammenflossen, seine Welt zu einer zweigeteilten machten und zu allerlei Anomalitäten in der gegenwärtigen intellektuellen Szene führten, angefangen bei den Fakultäten für Human- und Naturwissenschaften an den Universitäten, die einander kaum zugestehen wollen, überhaupt intellektuell zu sein, bis hin zu Beschreibungen von Geist und Seele im allgemeinen Sprachgebrauch, die, milde ausgedrückt, irrational sind.
    In Wesentliche Lektüre zur Biosemiotik legt Donald Favareau eine faszinierende Geschichte dar, die eine Menge Sinn hat. Er beginnt bei Aristoteles, der an die 26 Abhandlungen schrieb, von denen Boethius im 6. Jahrhundert nur sechs ins Lateinische übersetzte. Zwei (Kategorien und Über die Auslegung) handelten von der materiellen Welt, eine (Erste Analytik) vom Geist und die anderen drei (Zweite Analytik , Topik und

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