Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Blätter entwickelten, hatten viele Pflanzen winzige Blätter wie Schuppen an ihren Stängeln und Stämmen. Noch früher befanden sich Pflanzen größtenteils im Meer und hatten flache »Stämme«, um mehr Sonnenlicht einzufangen.
Blütenblätter sind ein Trick, den hoch entwickelte Landpflanzen, Angiospermen, benutzen, um Insekten anzulocken (manchmal auch Kolibris oder sogar Fledermäuse), damit sie sich sexuell fortpflanzen können, wobei Pollen von einer Pflanze zur anderen transportiert werden. Ursprünglich waren Blütenblätter gewöhnliche Blätter, die keine Rolle bei der Fortpflanzung spielten, sexuell oder anders. Aber Blätter haben sich zu einem bunten Schmuck entwickelt, der den menschlichen Drang zum Basteln herausfordert.
Betrachten Sie eine herkömmliche Gärtnerrose, keine dieser Heckenrosen – die sind oft »normal«. Die Kelchblätter, Staubbeutel, vielleicht sogar die Narben sind allesamt in Blütenblätter umgewandelt worden. Die Blüte einer kultivierten Rose ist eine ungeheuerliche Kreation, bei der Jahrmillionen der Evolution zunichtegemacht wurden, indem über Generationen hinweg genetische Unterschiede selektiert wurden. In jeder Pflanzenschule gibt es Hunderte von kultivierten Varietäten von vielen Pflanzenarten, alle mit monströs vergrößerten Blütenblättern und Doppelblüten, bei denen Staub- und Kelchblätter in Blütenblätter umgewandelt wurden. Diese Varietäten sind außerstande, sich sexuell fortzupflanzen, und müssen mit Methoden wie Schnitten vermehrt werden. Wir Menschen haben ihre Sexualteile derart übersteigert, dass Sex für sie nun nicht mehr möglich ist.
Dieser Vorgang hat noch eine andere Seite. Ohne menschliche Eingriffe haben Orchideen wunderbare Blüten entwickelt, komplex und farbenfroh. Aber Orchideen sind meistens selten, sie wachsen in abgelegenen Wäldern in den Astgabeln riesiger Bäume oder in winzigen Flecken am Rand gefährlicher Sümpfe. Menschen, die die Blumen bewundern, ohne sie modifizieren zu wollen, haben eine andere Technik entwickelt, um sie verfügbar zu machen, um der Natur ein Schnippchen zu schlagen. Sie haben eine Anzahl sinnreicher Methoden entwickelt, Pflanzen ungeschlechtlich zu vermehren, darunter Gewebekulturen, wodurch fast jeder Teil einer Pflanze veranlasst werden kann, zu einer kompletten kleinen Pflanze heranzuwachsen.
Das Ergebnis ist eine Flut von Orchideen. Sie sind in einem Maß vermehrt worden, dass lebende Orchideen für ein paar Pfund in jeder Pflanzenschule zu kaufen sind. Sich selbst überlassen, in ihren seltenen Habitaten, hätten diese Pflanzen keine nennenswerte Wirkung auf die Menschheit. Nur wenige Botaniker hätten jemals von ihnen gehört. Doch heute sehen wir sie überall und in großen Mengen, an den Kleidern von Brautjungfern, auf Restauranttischen und Fensterbrettern. Menschliches kulturelles Kapital, diesmal in Form von Know-how, hat diese Orchideen ins Dasein gebracht.
Dasselbe gilt für Züge, Autos und Flugzeuge. Und für elektrische Stromnetze. Und für Waschmittel. Und für die absurdesten Waffen. Wir alle leben inmitten der Erzeugnisse dieses kulturellen Kapitals, sogar die unter uns, die »in der Wildnis« leben, auf Bergen oder im Dschungel (ausgenommen einige wenige eingeborene Völker, die fast keinen Kontakt zur Außenwelt haben). Es gehört zum Menschsein im 21. Jahrhundert, dass fast alles in unserer Umgebung von vorangegangenen Investitionen »verursacht« ist, von kulturellem Kapital, sei es nun in Form von Artefakten oder von Wissen. Wir haben uns der natürlichen Welt bemächtigt und formen sie nach unserem Bild um. Fast die ganze Kausalität, die uns umgibt, beruht auf kulturellem Kapital.
Auf diese Weise haben wir unsere Welt nach dem Bild des Narrativiums neu erschaffen. Hinter der Szene gibt es eine Menge verborgener Drähte, aber sie sind absichtlich verborgen worden, damit wir nicht zu verstehen brauchen, wie unsere Welt funktioniert. Würde man einen Doktorgrad benötigen, um sich bei Facebook einzuloggen, wäre das Internet niemals in die Gänge gekommen.
Dinge geschehen »durch Zauberei«, weil wir sie dazu gebracht haben, wie Zauberei zu funktionieren. Wenn wir möchten, dass etwas geschieht, geschieht es.
Wie das Licht einzuschalten oder für ein paar Pfund eine Orchidee zu kaufen.
SIEBEN
Erstaunliche Kugel
Frau Marjorie wirkte so verunsichert, dass Ridcully ihr zu Hilfe kam.
»Hier in der Unsichtbaren Universität sind wir der Ansicht, dass sich hinreichend hoch
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