Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Verschwörungstheorien sezieren oder Sie weiterhin zu überzeugen versuchen, dass Neil Armstrong und Buzz Aldrin 1969 tatsächlich auf dem Mond gelandet sind, ebenso wenig vom Gegenteil. Vielmehr wollen wir einen der Gründe untersuchen, weshalb viele Menschen glaubten und etliche immer noch glauben, die Erde sei flach. Oder sie habe irgendeine andere Form als der hübsche runde Globus, den wir aus dem Erdkundeunterricht kennen. Dieser Grund ist die Rolle von Schlussfolgerungen im Gegensatz zur direkten Beobachtung. Schlussfolgerungen sind immer für Interpretation offen, und oft bleibt genug Spielraum, um scheinbar logische Auswege zu erlauben. Anhänger der flachen Erde haben diesen Spielraum genutzt, um mehr oder weniger plausible Erklärungen für die meisten Argumente zu entwickeln, denen zufolge die Erde rund ist. Einen Beweis für die runde Erde wegzuerklären, steht oft im Widerspruch zum Wegerklären eines anderen Beweises, aber in einer Debatte, wo es ums Punktesammeln geht, bemerken das nur wenige im Publikum. Wir, Ihre bescheidenen Autoren, haben tatsächlich einen völlig überzeugenden Beweis, dass die Erde rund ist, unabhängig von Weltraumfotos, doch wir werden ihn erst am Ende dieses Kapitels präsentieren.
Vor den 1960er-Jahren vermochten selbst die technisch höchstentwickelten Staaten unseren Planeten nicht von einem Blickpunkt aus zu beobachten, der höher lag, als ein Flugzeug fliegen oder ein Ballon aufsteigen konnte. In früheren Zeiten war das verfügbare Beweismaterial darauf beschränkt, was ein Erdmännchen mit seinen eigenen Sinnen beobachten konnte, und der unbezähmbare Drang von Pan narrans , erklärende Geschichten zu erzählen, führte zu einigen phantasievollen Annahmen.
Eine der frühesten Kosmologien, über die wir etwas wissen, ist die des Alten Ägypten aus der frühdynastischen Periode, etwa 3000 v. Chr. Sie blieb den Großteil der folgenden drei Jahrtausende über erstaunlich unverändert, obwohl von Zeit zu Zeit neue Elemente hinzukamen und sich die Moden wandelten. Die Grundlage der ägyptischen Kosmologie scheinen unsystematische Beobachtungen von Naturphänomenen gewesen zu sein, durchsetzt mit Phantasie und von einer dicken Schicht religiöser Vorstellungen überzogen.
Das Denken der Ägypter war stark von ihrem natürlichen Koordinatensystem beeinflusst, welches vier sehr deutliche Kardinalrichtungen lieferte, jede mit ihrer eigenen tiefen Bedeutung. Ägypten war das »schwarze Land«, eingezwängt zwischen zwei Regionen »roten Landes«: ein fruchtbarer schmaler Streifen zwischen ausgedehnten Wüsten – obwohl die Wüstengebiete ursprünglich eher einer Savanne als den heutigen wasserlosen Weiten ähnelten. Der Nil floss von Süden nach Norden, und der Wind wehte meistens in die entgegengesetzte Richtung. Das Ausmaß, in dem diese Achse im Denken der Ägypter verankert war, lässt sich an den Hieroglyphen für »Süden« (ein Boot mit gesetzten Segeln) und »Norden« (ein Boot mit gerefften Segeln) ermessen. Die Sonne – seit prädynastischen Zeiten als Gott betrachtet – ging im Osten auf und im Westen unter.
In der ägyptischen Mythologie war die Erde flach und hatte einen gewissen quadratischen Aspekt, weil die Kardinalrichtungen so wichtig waren. Sie wurde mit dem Gott Geb assoziiert. Die Göttin Nut bildete ein riesiges Gewölbe über der Erde, das dem Himmel entsprach. Dazwischen herrschte der Luftgott Schu. Verschiedene Züge des Nachthimmels hatten ein Gegenstück auf der Erde. Insbesondere entsprach die Milchstraße, ein beeindruckendes helles Lichtband am nächtlich leeren Himmel, dem Nil. Da die Sonne im Westen vom Himmel verschwand und im Osten wieder auftauchte, glitt sie offensichtlich unter der Erde durch den festen Boden hindurch. Während der Nacht kämpfte der Sonnengott Ra mit den Dämonen und Göttern der Unterwelt und tauchte jeden Morgen als Sieger – oder zumindest als Überlebender – wieder auf. Und zwar, nota bene, dank der unablässigen Bemühungen und Rituale der Priesterschaft.
Die Kosmologie ist, wie Sie sich erinnern werden, die Theorie von der Gestalt des Universums, und sie geht Hand in Hand mit der Kosmogonie, die von seinen Ursprüngen handelt. Die Ägypter hatten mehrere kosmogonische Mythen, die in unterschiedlichen Regionen des Landes entstanden waren, und verschiedene Mythen wurden oft vermengt und kombiniert. Ein gemeinsames Element in vielen Versionen ist schon erwähnt worden: das Auftauchen der Erde, als sich der
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