Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Masse der Erde verdeckt wird. Um 300 v. Chr. stellte Aristarch von Samos die vielleicht erste heliozentrische Kosmologie auf, indem er einfach das Zentralfeuer durch die Sonne ersetzte.
Die neuartige Idee, dass die Erde um die Sonne kreist, wurde von nahezu jedermann abgelehnt, darunter von praktisch allen frühen griechischen Philosophen. Thales glaubte, eine flache Erde schwimme auf Wasser. Anaximander glaubte, sie sei eine dicke Scheibe mit einer flachen Oberseite. Anaximenes meinte, die Erde schwebe in der Luft wie die anderen Himmelskörper. Xenophan war der Ansicht, wir lebten auf der flachen Oberseite eines einseitig unendlichen Zylinders, der sich endlos nach unten erstrecke (ein Abglanz von »lauter Schildkröten bis ganz unten«). Anaxagoras akzeptierte, dass die Erde flach sei, aber Archelaos bestand darauf, sie sei schüsselförmig, und deshalb sähen wir nicht alle zur gleichen Zeit die Sonne auf- und untergehen.
Die meisten antiken Naturphilosophen bevorzugten die Theorien von Aristoteles und Ptolemäus, die die Erde dorthin setzten, wohin jeder vernünftige Mensch sie naturgemäß setzen würde: ins Zentrum der Dinge. In einer Arbeit über den Mann im Mond – das scheinbare Gesicht, das die dunkleren Gebiete bilden – schrieb Plutarch, Kleanthes, das Oberhaupt der Stoiker, habe verlangt, Aristarch wegen Mangels an Pietät gegenüber den Göttern zur Verantwortung zu ziehen. Warum? Weil er es gewagt hatte, »den Herd des Universums« (die Erde) in Bewegung zu versetzen, und behauptet hatte, der Himmel sei statisch, während die Erde »in einem länglichen Kreis umlaufe« und zu allem Überfluss auch noch um die eigene Achse rotiere.
Die heliozentrische Theorie fand nur bei einem von Archistarchs Nachfolgern Gefallen, nämlich hundert Jahre später bei Seleukos von Seleukia. In der Zwischenzeit hatten die Griechen erkannt, dass die Erde rund ist, und Erastothenes schätzte ihre Größe ziemlich genau, indem er den mittäglichen Sonnenstand in Alexandria und in Syene, dem heutigen Assuan, beobachtete.
Eine Variante des ägyptischen Schöpfungsmythos, die Ogdoade, ersetzt den Urhügel durch ein kosmisches Ei. Die Milchstraße stieg aus dem Ozean des Chaos als Hügel auf, assoziiert mit der Göttin Hathor. Eine himmlische Gans legte ein Ei auf den Hügel, und darin war Ra. Später, als der Kult des Gottes Thoth an Bedeutung gewann, mutierte die Gans zu einem Ibis, einem Aspekt von Thoth.
Das Bild vom Kosmos als einem Ei haben viele Kulturen gemein. Üblicherweise treten entweder das Universum oder wichtige Gottheiten ins Dasein, wenn sich das Ei öffnet. Das Ei kann alles sein, was anfangs existierte, oder auf dem Urozean ruhen. In der indischen Mythologie beschreibt das Brahmanda Purana , ein religiöser Sanskrit-Text, das kosmische Ei ausführlich. Hier bedeutet brahm entweder »Kosmos« oder »sich ausbreitend«, und anda bedeutet »Ei«. Das Rig Veda erwähnt hiranyagarbha , »goldener Schoß«. Der schwebte im Nichts, bis er sich in zwei Hälften teilte, Himmel und Erde. In China erzählten dauistische Mönche von einem Gott namens Pangu, der im kosmischen Ei geboren wurde und es in Himmel und Erde zerbrach, als er herauskam. In der japanischen Mythologie schwimmt ein kosmisches Ei in einem riesigen Meer.
Das finnische Epos Kalevala bringt eine neue Tendenz in die Schöpfung, indem es sie einer Ente zuschreibt, die Fragmente eines Eis auf das Knie der Luftgöttin Ilmatar legte:
Aus des Eies untrer Hälfte
wird die untre Mutter Erde,
aus des Eies obrer Hälfte
wird des hohen Himmels Bogen;
was sich Gelbes oben findet,
strahlet schön als liebe Sonne,
was sich Weißes unten findet,
leuchtet hell als Mond am Himmel …
Dieser Auszug ist ein Beispiel für einen gemeinsamen Zug vieler Mythen: Sie sind menschenbezogen. Sie erklären den riesigen, rätselhaften Kosmos in Begriffen eines vertrauten Alltagsgegenstandes. Ein Ei ist rund wie Sonne und Mond. Ein Lebewesen kommt heraus, also fungiert das Ei als Symbol für die Quelle allen Lebens. Wenn man es aufschlägt, sieht man im Wesentlichen zwei Farben: Gelb und Weiß. Das sind gerade die Farben von Sonne und Mond. Es ist kein Wunder, dass solche Bilder eine so weite Verbreitung fanden. Es bedarf nur einer gewissen Kombination von Logik und Mystizismus von der Art der ägyptischen Gedankenverbindung zwischen dem Sonnengott und einem Mistkäfer, weil beide eine Kugel umherrollen.
Dieselbe Kombination ist für das Narrativium der Scheibenwelt
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