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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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zwar keine Proteine festlegt, wohl aber RNS -Moleküle codiert. Diese RNS -Moleküle bilden das hauptsächliche Steuersystem von Zellen: Sie steuern, welche Gene wann aktiviert werden und wie lange unterschiedliche Boten- RNS bestehen bleibt, bis sie zerstört wird. In Bakterien steuern RNS auch Gene, doch eine Untermenge von ihnen schützt die Bakterienzelle gegen Virenangriffe. Das ist eine einfache Art von Immunsystem. Also mag die DNS der Solist sein, die RNS aber ist das Orchester.
    Dies festgestellt, können wir uns wieder den Ribosomen zuwenden, den Molekülfabriken, die Proteine zusammensetzen. Es sind winzige Partikel, die größtenteils aus RNS bestehen. Bei Bakterien, Archäa, Tieren, Pflanzen und Pilzen hat jede Zelle ihren eigenen Satz Ribosome, zudem tritt während der gesamten Lebensdauer weitgehend dieselbe RNS auf, wenngleich mit unterschiedlichen Proteinen.
    Marcello Barbieri ist ein führender Vertreter der Biosemiotik, einer relativ neuen Wissenschaft, die sich mit den Codes des Lebens befasst. Sie haben wahrscheinlich vom Gencode gehört, von der Art, wie aus Triplets von DNS -Nukleotiden unterschiedliche Aminosäuren in Proteinen gebildet werden, und zwar durch das Ribosom. Barbieri hat darauf hingewiesen, dass es Hunderte von anderen Codes gibt; sie reichen von Insulin, das an Rezeptoren an der Zelloberfläche andockt und verschiedene Wirkungen in der Zelle auslöst, bis zum Geruch (technisch gesprochen, einem Pheromon) im Urin männlicher Mäuse, der den Eisprung-Zyklus weiblicher Mäuse beeinflusst. Alle diese Wirkungen sind das Ergebnis der Übersetzung einer chemischen Sprache – Hormone, Pheromone – in eine andere Sprache, nämlich physiologische Wirkungen. Der Gencode ist also nicht allein: Codes gibt es überall in der Biologie. Aus dieser Sicht ist das entscheidende Element bei der Proteinbildung nicht die DNS , die es vorschreibt, oder die Boten- RNS , die das Rezept übermittelt, sondern das Ribosom. Welches, um im Bild zu bleiben, der Apotheker ist, der das Rezept ausführt.
    Es scheint auch klar zu sein, dass dieses sehr alte Stück Maschinerie, so zentral für alle Lebensfunktionen, älter ist als die Trennung der Bakterien von den Archäa; also stammt es wahrscheinlich direkt aus der RNS -Welt. Irgendetwas bildete damals eine Beziehung heraus, eine Übersetzung, wahrscheinlich von Nukleinsäure zu Protein. Der Vorfahr der heutigen Ribosomen, vermutlich nicht sehr verschieden vom heutigen Spektrum der RNS -Strukturen, erfüllte den Zweck. Am Beginn des Lebens finden wir also die Übersetzung von einer Art Chemie in eine andere, vollbracht von einer Struktur, die fast unverändert auf uns überkommen ist.
    Vor dem Ribosom gab es nur Chemie. Komplizierte Chemie, gewiss, aber um Kompliziertheit allein geht es nicht. Entscheidend ist Komplexität, was in diesem Zusammenhang »organisierte Kompliziertheit« bedeutet. Jeder Koch weiß, dass man Karamell erhält, wenn man Zucker und Fette, zwei recht einfache chemische Substanzen, zusammen erhitzt. Karamell ist auf der chemischen Ebene ungeheuer kompliziert. Es enthält zahllose unterschiedliche Moleküle, von denen jedes Tausende von Atomen umfasst. Die Molekularstruktur von Karamell ist viel komplizierter als die meisten Moleküle, mit deren Hilfe Sie diese Seite lesen. Aber Karamell tut nicht viel, außer gut zu schmecken, also reicht Kompliziertheit an sich nicht aus, um Interessantes geschehen zu lassen. Ebenso erhält man, wenn man verdünnte Lösungen von Aminosäuren, Zuckern, Basen und so weiter mit speziellen Lehmarten mischt, lange, sehr komplizierte Polymere. Aber wie Karamell sind sie nicht besonders interessant. Sobald aber Transaktionen zwischen diesen Molekülen ins Spiel kamen, vermittelt von den frühesten Ribosomen, trat Komplexität an die Stelle von Kompliziertheit.
    »Komplexität« meint hier nicht schlechthin Kompliziertheit, sondern organisierte Kompliziertheit. In einem komplizierten System, etwa einem Auto, verhalten sich die Einzelteile – Bremsen, Lenkrad, Motor – außerhalb des Systems ziemlich genauso wie als Teile davon. Größtenteils sind sie einfach nur da, bis sie von etwas anderem gedrückt, gedreht oder in Gang gesetzt werden. Aber Sie, eine Fliege oder eine Amöbe sind anders. Die Bestandteile eines Lebewesens verhalten sich anders, wenn sie Teil des Systems sind, als wenn sie sich selbst überlassen bleiben. Die Teile treten in engere Wechselwirkung; im Kontext des Systems ändern sie ihr

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