Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
entweder ein Isolator oder ein Leiter. Bei einem Leiter gilt das Ohm’sche Gesetz: Die Stromstärke ist gleich der Spannung, geteilt durch den Widerstand. Bei feststehendem Widerstand erfordert also eine größere Stromstärke eine höhere Spannung. Der Widerstand braucht aber nicht festzustehen, und diese Möglichkeit steckt hinter manchen Anomalien der Natur, so die Art, wie ein entstehender Blitz das isolierende Gas der Atmosphäre in einen leitenden Ionenpfad für den Blitzschlag verwandelt, oder ein Kugelblitz, der sich im Wesentlichen zu einer Kugeloberfläche zusammenballt. Als Anomalien sind diese Phänomene automatisch interessant. Wir können auch mit verschiedenen veränderlichen elektrischen Leitern tricksen, angefangen von Vakuumröhren in den 1920er-Jahren bis hin zu Halbleitern wie Transistoren. Die ganze Computerindustrie beruht auf diesem Trick.
Die Entdeckung von supraleitenden Legierungen – kein elektrischer Widerstand – nahe der absoluten Nulltemperatur war eine sehr interessante Anomalie, und da neue Legierungen gefunden werden, die bei immer höheren Temperaturen widerstandsfrei bleiben, verspricht sie uns eine völlig neue Energietechnik. Die interessanten Dinge sind jene, die vom Bild des Ohm’schen Gesetzes abweichen: die Hexen, die Raumschiffe.
Das Ohm’sche Gesetz ist eng mit Geschichten über Stromversorgung verknüpft. Indem wir diese Probleme und ihre Lösungen beschreiben, können wir zeigen, wie sich die Situation völlig verändert, wenn man dem Gesetz »seinen Willen lässt«, aber den Kontext verändert. Von dort aus können wir von Feynmans Standpunkt, dass Gesetze sowohl den Kontext als auch den Inhalt von Naturereignissen festlegen, zu einer fortschrittlicheren Sichtweise gelangen.
Die Verteilung von Elektrizität an die Haushalte wird durch den Widerstand der Kabel erschwert, der bewirkt, dass viel Energie von den Übertragungsleitungen als Wärme abgestrahlt wird. Aus dem Ohm’schen Gesetz folgt, dass dieselbe Menge Energie mit geringeren Verlusten übertragen werden kann, wenn man die Spannung erhöht und die Stromstärke vermindert. Doch dann würden die Haushalte mit Hochspannung versorgt, und Unfälle wären tödlich.
Der Trick besteht darin, Wechselstrom zu verwenden, 50- oder 60-mal pro Sekunde hin und zurück. Transformatoren können die Spannung von Wechselstrom ändern, also kann sie für die Übertragung hoch sein und dann auf weniger tödliche Beträge herabgesetzt werden, wenn sie in unsere Häuser gelangt. Heutzutage würden wir uns an Gleichstrom halten und moderne Elektronik benutzen, um die Spannung zu ändern, aber diese Option stand nicht zur Verfügung, als das Verteilungssystem ausgebaut wurde. Mittlerweile haben wir so viel in Wechselstromsysteme investiert, dass wir sie nicht einfach ändern können, selbst wenn sich das als guter Einfall erwiese. Dieser Trick umgeht das Ohm’sche Widerstandsgesetz und folglich den Energieverlust. Selbst in unserer Zeit kann über ein Drittel der Energie auf den langen Übertragungsstrecken verloren gehen, aber das ist immer noch viel effizienter als die 70 Prozent Verluste, die die Gleichstromsysteme mit Niederspannung um 1920 mit sich brachten. Indem wir die Parameter ändern, zu Wechselstrom mit Hochspannung und niedrigen Stromstärken übergehen, können wir in gewissem Maß die Regeln ändern.
Zu viele Physiker sind gedanklich darauf geeicht, die Physik für die gesamte Realität zu halten, einfach weil sie sich mit der ganzen grundlegenden Struktur der Materie befasst. In Vom Wesen physikalischer Gesetze schreibt Feynman:
Ebenso scheinen die Atome in Lebewesen und unbelebten Körpern dieselben zu sein. Frösche bestehen aus demselben »Brei« wie Felsen, nur in anderer Anordnung. Das vereinfacht unser Problem; wir haben nichts als Atome, überall dieselben Atome.
Im selben Buch schreibt er:
Die wohl bedeutendste einzelne Annahme, die am meisten zum Fortschritt der Biologie beiträgt, besagt, dass alles, was Tiere vermögen, die Atome tun können, dass die Dinge, die man in der biologischen Welt sieht, die Ergebnisse des Verhaltens physikalischer und chemischer Phänomene ohne »etwas Zusätzliches« sind.
Wie Feynman glauben wir nicht, dass es »etwas Zusätzliches« gibt, einen élan vital (Lebenskraft), der das Leben antreibt. Nein, es ist viel einfacher: Organismen haben sich entwickelt , und während sie zu Beginn des Lebens sehr eingeschränkt waren und größtenteils taten, »was ihre Atome
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