Das juengste Gericht
Freundschaftliche hinausgeht.«
»Sie haben also ein Verhältnis mit Frau Krawinckel«, stellte Schultz fest.
Kellermann deutete ein Nicken an. »Sagen wir, wir sind uns nähergekommen. Frau Krawinckel hatte irgendwann einmal im Salon gesessen und geweint, als ich hinzukam. Sie vermittelte mir damals nachdrücklich, wie einsam sie sei und wie wenig ihr Mann es verstehe, ihre Herzensbedürfnisse zu erfüllen. Diese Verbindung müssen wir natürlich vor Herrn Krawinckel geheim halten. An unserem ersten Jahrestag haben wir uns bei einem Juwelier zwei Ketten mit Anhängern fertigen lassen, die sich völlig gleichen.«
Schultz kniff die Augen zusammen. »Ich will vorerst nicht nach dem konkreten Inhalt der von Ihnen so genannten Herzensbedürfnisse von Frau Krawinckel fragen. Wie kam es zu der besonderen Gestaltungsform des Anhängers.«
»Das war Frau Krawinckels Idee. Sie kannte meine Unterschrift. Daraus hatte sie ebenfalls bei dem Buchstaben M den Vergleich zum Bild eines Herzens gezogen, genau wie Sie, Herr Staatsanwalt. Das gefiel ihr. Sie meinte, es sei ein Symbol für die Aufrichtigkeit unserer Zuneigung. Wir überlegten weiter, eine Gravur unserer Vornamen anbringen zu lassen. Frau Krawinckel schreckte davor zurück. Es hätte Gerede in dem Juwelierladen geben können.«
Schultz trommelte mit den Fingern auf einer vor ihm liegenden Akte. »Trugen Sie die Ketten auch?«
»Wir hatten uns bei einem Glas Champagner gegenseitig eine Kette umgelegt.«
Nervös beschrieb Schultz mit der Hand einen Halbkreis. »Und weiter? Haben Sie Ihren Anhänger noch? Tragen Sie ihn gerade? Sie lassen sich allzu sehr die Würmer aus der Nase ziehen.«
»Ich werde mich bemühen, Ihnen die Zusammenhänge aufzuzeigen. Leider trage ich den Anhänger heute nicht. Meist habe ich ihn bei meinen Privatsachen. Ich habe immer Angst, dass Herr Krawinckel die Kette einmal sieht und nach der Bedeutung fragt. Frau Krawinckel sagte einmal, ihr sei das gleichgültig. Das hielt ich allerdings nicht für überzeugend. Anderenfalls hätte sie sich nicht gegen eine Gravur gewehrt. Immerhin trug sie die Kette eine ganze Weile und dann nicht mehr.«
Schultz forderte Kellermann mit einer ausladenden Handbewegung zum Weiterreden auf. »Haben Sie nach dem Grund gefragt?«
»Selbstverständlich! Sie sagte mir, Sunita habe erst kritische und später hämische Blicke auf den Anhänger geworfen. Sie müsse etwas bemerkt oder geahnt haben. Sunita habe einen indischen Freund ein Drohbriefchen schreiben lassen und wolle sie damit erpressen.«
Als der Name Sunita fiel, horchte Schultz auf. »Inwiefern? Und wie hat Frau Krawinckel darauf reagiert?«
Kellermann machte einen verlegenen Eindruck. Er zögerte.
»Ich weiß nicht.«
Drohend reckte Schultz den Zeigefinger. Er stand davor, Kellermann auf die Bedrohung Dubhos vor der Frankfurter Börse anzusprechen und ihn mit dem Verdacht zu konfrontieren, er halte ihn insoweit für den unbekannten Täter. Irgendetwas hielt ihn davon ab. Er beschloss, die Aufklärung dieses Tatkomplexes zurückzustellen. »Hat Sunita Ellen Krawinckel direkt auf den Anhänger angesprochen?«
»Das weiß ich nicht. Davon hat sie mir nichts erzählt. Ich habe sie auch nicht danach gefragt.«
Für einen Augenblick kämpfte Schultz mit sich, ob er Kellermann der Unwahrheit bezichtigen und versuchen sollte, ihn weiter in die Enge zu treiben. Er überlegte es sich anders. »Jedenfalls bedeutet dies, dass Sie den Ihnen gehörigen Anhänger nicht vermissen. Dann werden wir mit Ihnen im Anschluss an die Vernehmung nach Bad Homburg fahren und nachschauen müssen.«
»Das wäre mir sehr peinlich vor Herrn Krawinckel. Jedenfalls wäre ich sehr dankbar, wenn Sie Diskretion üben könnten.«
»Wir werden sehen«, sagte Schultz. »Wo hielten Sie sich am Vormittag des 1. November auf?«
»Zu Hause. Genauer gesagt, im Hause der Eheleute Krawinckel in Bad Homburg. Wie eigentlich jeden Tag.«
»Gibt es Zeugen dafür? Können zum Beispiel die Eheleute Krawinckel Ihre Angabe bestätigen?«
Kellermann fuhr sich über sein leicht öliges Haar und legte dann wieder seine gefalteten Hände in den Schoß. Er schüttelte den Kopf. »Nicht Krawinckels. Beide waren an diesem Morgen nicht zugegen. Wohin die Herrschaften gingen, verschließt sich meiner Kenntnis. Es war nicht üblich, dass sie mir im Alltag ihren Terminkalender mitteilten. Allerdings müsste die Dienerschaft sich an meine Anwesenheit erinnern. Ich pflegte jeden Morgen zu kontrollieren,
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