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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Ansprechpartner, also die Unterrichtskräfte, benennen? Sie müssen das nicht gleich jetzt tun. Lassen Sie sich Zeit. Ich rufe Sie morgen an. Dann können Sie mir die Namen telefonisch durchgeben«, warf Köhler ein.
    Frau Raasch strahlte und nickte. »Das tue ich gerne für Sie, Herr Köhler.«
    »Lassen Sie uns mal weitermachen«, warf Schreiner ein.
    »Haben Sie irgendetwas beobachtet, woraus sich Besonderheiten in Sunitas Leben außerhalb des Schulbetriebs ergeben könnten? Wie war denn beispielsweise das Verhältnis zu den Adoptiveltern? Kümmerten die sich um das Mädchen, oder empfanden sie die Sorge für das Kind eher als eine Last? Haben Sie die Eltern kennen gelernt?«
    »Die Mutter habe ich meiner Erinnerung nach nie gesehen. Es war der Vater, der regelmäßig zu den Elternabenden kam. Er beteiligte sich, stellte Fragen und kam manchmal im Anschluss noch auf mich zu, um sich über Einzelheiten zu unterrichten. Meist wollte er wissen, ob er noch mehr zur Förderung von Sunita beitragen könne und ob ich mit ihren Leistungen zufrieden sei. Zu mehr gab es keinen Anlass. Sunita war eine gute Schülerin. Das galt für alle Fächer. Besonders hatte sie sich der Kunst, vor allem dem Zeichnen, verschrieben. In diesem Fach zeigte sie die mit Abstand besten Leistungen.«
    Köhler legte kurz den Zeigefinger auf die Lippen. »Haben Sie den Vater je wegen des Fernbleibens der Mutter angesprochen oder bei irgendeiner Gelegenheit Sunita nach der Mutter gefragt? Es ist schon ein wenig ungewöhnlich, dass sich die Mutter nie sehen ließ.«
    Frau Raasch schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich nicht. Dazu bestand keine Veranlassung. Das Mädchen war stets sauber gekleidet, fleißig und zeigte, wie ich schon sagte, gute bis sehr gute Leistungen. Sie war voll in den Klassenverband integriert. Es kommt häufig vor, dass nur ein Elternteil sich um die schulischen Belange kümmert. Daran ist nichts Auffälliges. Ich wäre froh, wenn sich bei dem einen oder anderen Kind überhaupt einer der Eltern für die Entwicklung interessieren würde, wie dies Herr Beuchert getan hat.«
    »Also war aus Ihrer Sicht alles in Butter?«, fragte Schreiner. Bevor Frau Raasch, die schon kräftig nickte, antworten konnte, rückte Köhler auf seinem Platz nach vorn. Er setzte eine nachdenkliche Miene auf und erhob wie ein Schüler, der sich meldet, den Zeigefinger. »Trotzdem müssen wir noch einmal nachhaken, Frau Raasch. Es gibt Pausen, besondere Situationen, Gerüchte, auffällige Verhaltensweisen. Sie üben Ihren Beruf schon lange aus und haben mit Sicherheit genügend Erfahrungen gesammelt, um schon aus Kleinigkeiten herleiten zu können, ob alles seinen gewohnten Gang geht. Denken Sie bitte nochmals ganz gründlich nach. Gibt es irgendetwas, was nicht in das von Ihnen wahrgenommene Bild passt? Irgendeine Kleinigkeit, auch wenn sie Ihnen noch so unbedeutend oder vielleicht sogar zu lächerlich erscheinen mag?«
    »Sie dürfen mir schon glauben, dass ich Ihnen alles berichte, was ich weiß. Da ist nichts, womit ich Ihnen weiterhelfen könnte.«
    Schreiner fuhr sich mit der Hand über die Stirn und warf einen kurzen Blick auf die Zigarettenschachtel, die sich auf seiner Hosentasche abzeichnete. Er rutschte in seinen Sitzplatz, verschränkte die Arme und sah forschend zu Frau Raasch auf.
    »Letzte Frage für heute, Frau Raasch. Wie war das in Sunitas Freizeit? Können Sie uns darüber etwas erzählen? Mit wem hatte sie Umgang? Oder wissen Sie nichts darüber?«
    Die Wangen von Frau Raasch färbten sich rötlich. Sie blickte unter sich und rutschte auf ihrem Sitz hin und her. »Es ist eigentlich zu albern, um Sie damit zu behelligen. Ich glaube nicht, dass es von Bedeutung ist. Sunita war ja erst elf Jahre alt. Wie ich schon erwähnt habe, war sie sehr zurückhaltend. Sie schien alles mit sich selbst auszutragen. Aus dieser Beobachtung heraus sagte ich Ihnen vorhin, dass es so etwas wie eine beste Freundin nicht gab. Diese Aussage muss ich nicht berichtigen.«
    Mit den Fingern der rechten Hand trommelte Schreiner auf den Kacheln des Couchtischs. »Wir zweifeln nicht an Ihrer Glaubwürdigkeit. Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen und nicht zu entschuldigen. Sagen Sie uns einfach in diesem Zusammenhang alles, was Sie wissen. Überlassen Sie es getrost uns, welche Folgerungen und Bewertungen anzustellen sind. Was ist das für eine Sache, die Sie für zu unwesentlich hielten, um Sie uns zu berichten?«
    Frau Raasch schaute zu Köhler hin, als

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