Das juengste Gericht
könne etwas erleben. Ich würde sie auffliegen lassen.«
»Womit denn? Das passt doch alles nicht zusammen. Ich glaube, dass du mich belügst.«
»Nein! Ich schwöre es dir. Mehr habe ich nicht herausgekriegt. Ich wollte ihr nur Druck machen. Meine Hoffnung war, dass sie irgendein Geheimnis hat und denken muss, dass ich davon weiß.« Deutliche Zweifel standen in Dorjeys Gesicht. »Ich will dir wirklich helfen. Aber was du mir da auftischst, klingt wenig überzeugend. Jetzt rücke schon mit der Geschichte heraus.«
»Versuche, mir doch einmal zu glauben. Ich habe einfach Angst vor der Polizei. Wenn jetzt die Polizei diesen Brief findet, wird sie vielleicht denken, dass ich es war.«
Dorjey musterte seinen Bruder von Kopf bis Fuß. Er schwieg eine Weile und stellte seine leere Cola-Flasche zurück. Dann holte er tief Luft. »Dubho? Sei ehrlich! Ich kann dir nur helfen, wenn Du aufrichtig zu mir bist. Höre mir jetzt genau zu und gib mir eine ganz ehrliche Antwort. Hast du etwas mit der Sache zu tun? Damit es keine Missverständnisse gibt. Ich meine, mit dem Tod von Sunita. Du bist es doch nicht gewesen, oder? Nur, weil sie nicht mit dir gehen wollte?«
Dubho schaute unter sich und kaute an seinem Daumennagel. Plötzlich liefen ihm die Tränen die Wangen herunter. Er langte in seine Hosentasche, holte ein Taschentuch heraus und wischte sich über sein Gesicht. Einen Blickkontakt mit Dorjey vermied er. »Wir müssen wieder hochgehen. Sonst verpasst du meinetwegen das ganze Spiel.«
Mit der Faust stieß Dorjey ihn sanft gegen die Schulter. »Spinnst du? Was soll denn das jetzt? Markierst du den Beleidigten? Mein Eindruck ist, dass du mir nur die halbe Wahrheit sagst. Wenn mir das schon auffällt, kannst du sicher sein, dass es die Polizisten erst recht merken. Gib mir gefälligst eine Antwort auf meine letzte Frage. Sonst kann ich dich nicht schützen.«
Das Gesicht von Dubho war wieder versteinert. »Ich habe nichts mit dem Tod von Sunita zu tun. Schon gar nicht habe ich ihr das angetan. Dafür habe ich sie viel zu sehr gemocht. Ich trauere. Das ist alles.«
Dorjey ließ die Schultern hängen. »Na gut. Hör mir jetzt gut zu. Denk zu Hause gründlich über unser Gespräch nach. Wenn du meinst, dass du mir noch mehr zu sagen hast, komm einfach auf mich zu.«
Dubho nickte. »Und was ist, wenn die Polizei mein Briefchen findet? Darauf hast du mir noch keine Antwort gegeben.«
»Ganz einfach. Wenn die Geschichte sich wirklich so abgespielt hat, wie du behauptest, brauchst du überhaupt keine Angst zu haben. Dann kann dir nämlich nichts passieren. Das ist mit ein Grund, weshalb ich deine Erzählung für unvollständig halte.«
Mit festen Schritten ging Dubho auf die Stadiontreppe zu. »Es gibt nicht mehr zu sagen. Mehr weiß ich nicht.«
Als Dorjey ihm folgte, drückte sein Gesicht nichts als Zweifel aus. »Tut mir leid, Brüderchen. Ich glaube dir nicht. Irgendetwas an deiner Geschichte stimmt nicht.«
13. Kapitel
Schultz hängte keuchend seine Anzugjacke auf einen Kleiderbügel an der häuslichen Garderobe, zog seine Krawatte aus und schlang sie um einen Garderobenhaken. Er knöpfte den obersten Hemdenknopf und die Knöpfe seiner Weste auf und ging in die Küche. Dort warf er einen kurzen Blick aus dem Fenster in den beleuchteten Garten. Es gab nichts Sehenswertes mehr. Seine geliebten Rosen waren bis auf eine Blüte komplett entlaubt.
»Ausgerechnet die Sorte Petra Roth , standhaft wie die Namensgeberin«, murmelte er vor sich hin.
Er breitete seine Einkäufe aus und legte die benötigten Küchengeräte auf die Arbeitsplatte. Er wollte einen Feldsalat mit Pfifferlingen und Croûtons, anschließend Kalbsleber mit Kartoffelpüree, gerösteten Zwiebeln und Apfelmus zubereiten.
Ein Blick auf seine Taschenuhr zeigte ihm, dass es nicht mehr lange bis zur Ankunft Traudels dauern könnte. Die Staatsanwaltschaft hatte er schon früh verlassen. Einerseits war er wegen der Sorgen um Traudel ohnedies nicht in der Lage gewesen, sich zu konzentrieren. Zum anderen schloss die Kleinmarkthalle abends sehr zeitig, und er hatte unbedingt ihren Wunsch nach einem gepflegten Abendessen in häuslicher Umgebung erfüllen wollen.
Wenig später hörte er, wie die Haustüre aufgeschlossen wurde. Er stürzte in den Flur und starrte auf Traudel, die ihn anlächelte.
»Man könnte meinen, du seist gerade dem Leibhaftigen begegnet. Ist dir nicht gut?«
»Hör auf zu spotten. Sag bitte gleich, was los ist. Ich bin nicht wie du und
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