Das juengste Gericht
willst du wissen? Und warum?«
»Seine Bankkarriere interessiert mich vorerst nur am Rande. Ebenso seine berufliche Qualifikation. Gibt es privat irgendwelches Gerede über ihn? Was erzählt man über den Menschen Phillip Krawinckel? Welchen Umgang pflegt er? Welchen Interessen geht er nach seinem Rückzug aus der Bankenwelt nach?«
»Wieder viele Fragen auf einmal. Die Hintergründe für seinen plötzlichen Abschied von allen offiziellen Tätigkeiten im Bankgewerbe lassen sich nicht von seinen übrigen Aktivitäten trennen. Es gab Gerüchte, dass die Bank Devisenspekulationsgeschäfte in großem Umfang über Konten ihrer Anleger abwickelte und dadurch fast in eine Schieflage geriet. Ihre Liquidität stand in Frage. Nach der Aufgabenverteilung unter den vier persönlich haftenden Gesellschaftern fiel das Problem in den Verantwortungsbereich von Krawinckel. Irgendwie gelang es ihm, ausreichende Mittel zu beschaffen, die einen Zusammenbruch der Bank abwendeten. Es werden ihm Kontakte zum organisierten Verbrechen nachgesagt. Krawinckel stellte sich strahlend vor die Presse und verkündete, dass an dem ganzen Gerede nichts dran sei. Damit rettete er die Bank. Bankintern konnte er sich trotzdem nicht halten, weil ihm der Reputationsschaden angelastet wurde.«
»Hat er das freiwillig getan? Das kann ich mir bei seiner Persönlichkeit kaum vorstellen. Ein Mensch wie er lebt doch von seiner Außenwirkung und leitet daraus seine Bedeutung her.«
»Er gilt als ein Mann mit großem Fingerspitzengefühl. Man munkelt, dass er die Macht nie wirklich abgegeben hat. In der öffentlichen Diskussion kam er gut weg. Er hatte erklärt, ohne Anerkennung irgendeiner persönlichen Fehlleistung das unternehmerische Risiko übernehmen zu wollen, um selbst einen Rufschaden für die Bank nicht aufkommen zu lassen. Außerdem gelte sein ganzes Interesse der Sicherheit der Anleger. Damit gelang es ihm, als ungewöhnlicher Ehrenmann dargestellt zu werden.«
Schultz schüttelte den Kopf und lachte. »Unglaublich. Wie einfach doch manchmal die öffentliche Meinung zu manipulieren ist. Andererseits war das sicher ein Husarenstreich, den kaum ein anderer geschafft hätte.«
»Das ist noch nicht alles. Er verstand es nicht nur, als graue Eminenz seinen Einfluss in der Bank zu erhalten. Durch die Einrichtung seiner Gesprächsrunden im Rahmen täglicher häuslicher Einladungen erweiterte er seinen Machtbereich um ein Vielfaches. Er lud nahezu ausschließlich Menschen von großem politischem oder wirtschaftlichem Einfluss zu sich nach Hause und führte Interessen zusammen. Insbesondere öffnete er sich dabei den Bitten seiner Gäste, auf diesem Weg jeweils mit bestimmten Menschen in Kontakt zu treten. Auf diese Weise machte er sich unentbehrlich und die Gäste für seine eigenen Interessen gewogen. Es gibt inzwischen Leute, die behaupten, dass ohne Krawinckel im Rhein-Main-Bereich nichts mehr läuft.«
»Und seine Bank steht wieder blütenrein da?«
»Nicht ganz. Sie gilt nach wie vor in seriösen Bankkreisen als zu wagemutig. Hinter vorgehaltener Hand wird über die Vergabe ungesicherter Großkredite und windige Anlagegeschäfte getuschelt. Das tut indessen dem Ansehen von Krawinckel keinen Abbruch. Sahnehäubchen ist, dass er mit großzügigen Spenden viele öffentliche Vorhaben und Projekte unterstützt. Dadurch dürfte er nahezu unangreifbar sein.«
Schultz wiegte den Kopf hin und her. »Das bedeutet, man muss sich warm anziehen, wenn man dem Herrn nähertreten will.«
Traudel nickte. »So ist es. Jetzt zu deiner Frage nach den privaten Dingen. Krawinckel ist mit einem erheblich jüngeren ehemaligen Model verheiratet. Deren Familie ist eine Schwachstelle. Das spricht niemand offen aus, aber jeder weiß es. Innerhalb der Ehe sind keine Auffälligkeiten nach draußen gedrungen. Es wird allerdings darüber getratscht, dass Krawinckel nie durch kleine Liebschaften oder Techtelmechtel in Erscheinung trat. Das hält man für ungewöhnlich, da er sehr gut aussieht. Die Frauen lagen ihm immer zu Füßen.«
Schultz trank einen Schluck Wein und schmunzelte. »Was meine Frau alles weiß. Sieh mal da. Davon hatte ich bisher keine Ahnung. Gefällt er dir auch?«
»Rede keinen Unsinn. Und da ist noch die Geschichte mit seiner Halbschwester.«
Schultz hatte aufgehört zu essen und das Besteck beiseitegelegt. Er kaute noch an dem letzten Happen Leber und beeilte sich, ihn herunterzuschlucken. »Er hat eine Halbschwester? Wie kommt das? Ich meine, woher
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