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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Krawinckel hellte sich etwas auf. Er zuckte die Schultern und seufzte.
    Die Salontür öffnete sich, und Ellen Krawinckel trat ein. Bekleidet war sie mit einem weit ausgeschnittenen roten Kleid. Sie holte tief Luft, gab sich einen Ruck und strahlte ihren Mann an. »Hallo, Liebling. Geht es dir gut? Ich sehe, du spielst gerade mit deinem Püppchen. Komme ich ungelegen? Soll ich später wiederkommen?«
    Krawinckel schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Nein! Ich freue mich, dass du da bist. Willst du dich zu uns setzen?« Er zögerte einen Augenblick und atmete tief durch. »Lass nur, ich bringe sie weg.«
    Mit aufgesetztem Lachen hob Phillip Krawinckel seine Schwester Lisa-Marie von seinem Schoß hoch, stand selbst auf und legte ihr den Arm um die Taille. »Komm, Kleines. Ich habe da noch eine tolle DVD für dich. Die kannst du dir jetzt anschauen und dich anschließend schlafen legen.«
    Lisa-Marie nahm ihn bei der Hand und lächelte ihm zu. »Du bist lieb.«
    Phillip Krawinckel verließ mit ihr den Salon durch die Tapetentür. Währenddessen versorgte sich Ellen mit einem Campari mit Sodawasser, nahm sich eine Zeitschrift und setzte sich in einen der Sessel.
    Nach wenigen Minuten kehrte Phillip Krawinckel zurück und nahm wieder auf dem Zweisitzer Platz, der im rechten Winkel zu Ellens Sessel stand. Er ergriff ihre Hand und drückte sie. »Schön, dass du da bist. Ich hatte dich schon gesucht. Warst du aus?«
    Ellen wich seinem Blick aus und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Wo hast du denn überall nachgesehen? Ich war hier im Haus. Mal hier, mal dort. Wie das so ist.«
    »Ist auch egal. Hauptsache, du bist hier. Warte, ich hole mir ebenfalls einen Drink. Wir könnten es uns ein bisschen gemütlich machen. Wir beide ganz allein. Das ist uns selten genug vergönnt.«
    Phillip Krawinckel stand auf, ging zum Barschrank und goss sich einen Whisky ein. Ohne Eis. Er setzte sich wieder auf seinen alten Platz, hob den Becher und prostete Ellen zu. »Auf uns!«
    »Auf dich, Liebling. Dass wir noch viele solche Abende erleben. Übrigens, ist Lisa-Marie von sich aus auf dich zugekommen?«
    »Nein! Ich habe sie aus ihrem Zimmer geholt. Sie versauert sonst, wenn sie den ganzen Tag dort alleine sitzt. Das tut mir leid.«
    »Lass sie doch wieder mittags an den Einladungen zum Lunch teilnehmen. Dann hat sie Abwechslung. Vielleicht findet sie dabei wieder zu sich zurück.«
    Krawinckel bewegte den Zeigefinger seiner rechten Hand wie einen Fächer. »Du weißt genau, dass es Gründe gibt, warum ich das nicht mehr möchte. Lisa-Marie ist zu gutgläubig und zu hübsch. Ich will um Gottes Willen nicht, dass ihr noch etwas passiert.«
    Ellen zog die Augenlider hoch. »Ob du es hören willst oder nicht. Das Schwesterchen weiß bei aller Einfalt in der Regel, was sie will. Sie hat nun mal gern mit gut aussehenden Männern zu tun.«
    Mit einem Zug leerte Phillip Krawinckel den Rest seines Whiskys. »Unfug! Sie weiß überhaupt nicht, was sie tut und was dabei auf sie zukommen kann. Man muss sie schützen, natürlich auch vor sich selbst. Ihre Handlungsweise ist allerdings nicht eine angeborene Infamie, sondern mehr ein Instinkt. Sie folgt ihrer Natur, aber nicht bewusst.«
    »Ob du da nicht das Schwesterchen verklärst?«
    Krawinckel runzelte die Stirn und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du kannst sie nicht leiden, das ist alles. Jedenfalls verkennst du sie völlig. Erinnere dich doch bitte. Du weißt, was vor nicht allzu langer Zeit passiert ist. Ich hätte den Kerl erschlagen sollen, der ihre Zutraulichkeit und Hilflosigkeit so schamlos ausgenutzt hat.«
    Ellen hob die Schultern, ließ sie heruntersacken und griff zu ihrem Glas. »Warum hast du es nicht getan? Fest steht, dass du es nicht gemacht hast.«
    Mit beiden Händen stemmte sich Phillip Krawinckel von dem Zweisitzer hoch und holte sich noch einen Whisky. Am Barschrank drehte er sich zu Ellen um. »Müssen wir dieses Thema schon wieder strapazieren? Es bot sich nicht an, ihm eine Tracht Prügel zu verabreichen. Das wäre eine einmalige Angelegenheit gewesen. Ich habe ihn viel schlimmer bestraft. Die Maßnahmen, die ich ergriffen habe, erinnern ihn ein Leben lang schmerzhaft an die Sauerei, die er sich geleistet hat. Das war meine Form der Rache. Schließlich war ich das meiner Schwester schuldig.«
    Ellen bediente sich mit einem weiteren Campari Soda. Auf dem Rückweg vom Barschrank setzte sie sich zu ihrem Mann auf den Zweisitzer. Sie stellte ihr Glas ab,

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