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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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verschluckte, gab seinen Gemütszustand wieder.
    Seine Laune ordnete er zwischen aufgeregt und schlecht ein. Sein Kollege Diener war nicht da. Das bedeutete, dass die Kaffeemaschine leer war. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit hatte Diener nicht einmal einen Zettel an sein Namensschild neben der Tür geheftet, der Aufschluss über den Grund seiner Abwesenheit gab.
    Lustlos schob Schultz den Boss -Becher in die Ecke und legte die Pralinentüte daneben. Schokolade schmeckte nicht ohne Kaffee. Er befand, dass im Grunde auch die Zigarre den parallelen Genuss eines Getränks erfordert hätte. Trotzdem nestelte er aus seiner Jacke eine seiner Weißblechhülsen und zündete sich eine Partagas an.
    Traudels Zustand ging ihm nicht aus dem Kopf. Hoffentlich würde sie ihn im Laufe des Tages anrufen und erklären, wie es konkret mit ihrem gesundheitlichen Problem weitergehen sollte. Heute wollte sie noch einmal den Arzt aufsuchen oder mit ihm telefonieren, um Nägel mit Köpfen zu machen.
    Angeekelt schaute er auf die Aktenberge. Obwohl er seinen Beruf liebte, stand ihm der Sinn heute nicht nach Arbeit. Ein Kinobesuch wäre jetzt die richtige Ablenkung. Zum Beispiel ein ordentlicher Western.
    Das Telefon klingelte. Schultz ließ sich in den Sessel fallen und stellte die Verbindung her. Schreiner meldete sich. »Donnerwetter! Heute muss mein Glückstag sein. 10:30 Uhr, und Sie sind schon im Amt. Alle Achtung.«
    Schultz überlegte einen Moment, ob sein Rollenverständnis von Staatsanwaltschaft und Polizei eine solche Ansprache zuließ, ohne den Anrufer in die Schranken zu weisen. Andererseits hatte er Schreiner schon zu oft derartige Sprüche durchgehen lassen, weil er sie für einen Ausdruck von dessen Kreativität hielt. Es war der Ideenreichtum, der Schreiner dienstlich so wertvoll und menschlich so sympathisch machte. Deshalb entschloss sich Schultz, auf die Frotzeleien einzugehen. »Es spricht nicht für Ihre Intelligenz, dass Sie bei mir anrufen, obwohl Sie davon ausgingen, ich sei noch gar nicht im Dienst. Sollten Ihre weiteren Botschaften dieselbe Qualität wie Ihre Begrüßung haben, können Sie sich den Rest schenken. Mich erstaunt, dass man Sie bei Ihren Defiziten in den Umgangsformen neulich wieder befördert hat. Das wirft ein interessantes Licht auf den personellen Zustand der Polizei. Hoffentlich kompensieren Sie diese Defizite im fachlichen Bereich und können mir in aller Kürze sagen, was Sie von mir wollen. Ich versinke nämlich hier in Akten.«
    Schreiner lachte. »Sind Sie denn schon fit für eine Neuigkeit oder soll ich später noch einmal anrufen?«
    »Sie machen es dadurch nicht besser, dass Sie Ihr flaches Niveau beibehalten. Schießen Sie endlich los.«
    Wie üblich war Schreiner in der Lage, sofort auf einen dienstlichen Tonfall umzuschalten. Im Detail informierte er Schultz über den Besuch bei Frau Namgyal und deren Sohn Dubho. Schultz unterbrach ihn zunächst nicht. Als Schreiner Luft holte und dabei eine Pause einlegte, fragte er: »Was war das für ein Foto, das Sie dem Jungen vorgelegt haben? Sie sagten, dass er unsicher gewesen sei und den Mann nicht einwandfrei wiedererkannt habe.«
    »Es war ein Bild von Phillip Krawinckel. Kollege Köhler und ich haben am Wochenende in unserem Archiv noch weitere Fotos von Krawinckel gefunden. Wir haben anschließend bei der Familie Namgyal angerufen und sie einvernehmlich für heute Morgen um acht Uhr in das Präsidium gebeten. Dort habe ich den Sohn förmlich vernommen und ihm dabei sämtliche Bilder vorgelegt, die wir haben. Uns liegt jetzt ein schriftliches Vernehmungsprotokoll vor, in welchem Dubho allerdings auch keine deutlichere Aussage macht. Trotzdem bleibt fragwürdig, ob er die Wahrheit sagt.«
    »Wieso?«
    »Nach seinem gesamten Verhalten verschweigt er uns etwas. Er stockte mehrfach, konnte uns nicht in die Augen sehen, kaute an den Fingernägeln und errötete, wenn seine persönliche Beziehung zu Sunita in den Vordergrund gestellt wurde.«
    »Was folgern Sie daraus?«
    »Dass Dubho zwangsläufig in den Kreis derer einbezogen werden muss, die für den Tod Sunitas verantwortlich sein könnten. Wir werden uns Gedanken machen, ob und wie wir noch einmal an ihn herantreten.«
    »Lassen wir das jetzt mal dahingestellt. Was bedeuten Ihre Erkenntnisse für die Person von Phillip Krawinckel. Müssen wir Ihrer Meinung nach noch immer an ihn heran, um weiterzukommen?«
    »Erst recht. Schon die Vorstrafakte hat uns gezeigt, dass Krawinckel die Familie

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