Das juengste Gericht
das in Ordnung geht, oder?«
Schultz ging auf Krawinckel zu, stellte sich, Schreiner und die Protokollführerin vor und begrüßte zunächst ihn und dann Schaller. Er wies auf einen der bereitgestellten Stühle. »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Nehmen Sie bitte Platz. Selbstverständlich kann Herr Dr. Schaller teilnehmen. Das ist zulässig. Außerdem kennen Herr Schaller und ich uns gut. Da gibt es keine Probleme.«
Krawinckel setzte sich und warf einen kurzen irritierten Blick auf Schaller, bevor er Schultz ansah. »Sie müssen sich nicht bedanken. Auf meiner Ladung stand schließlich geschrieben, dass ich die Pflicht habe zu erscheinen.«
Mit einem verlegenen Achselzucken quittierte Schultz den mit süffisanter Stimme gegebenen Hinweis. Anschließend belehrte er Krawinckel über die Wahrheitspflicht und die Rechte des Zeugen und fügte hinzu: »Ich habe keine besondere Veranlassung, Sie darauf hinzuweisen. Das Gesetz schreibt es mir vielmehr so vor. Wir protokollieren Ihre Aussage. Am Ende können Sie sich alles genau durchlesen und Anmerkungen oder Korrekturen anbringen, wenn Sie mit der Aufzeichnung nicht einverstanden sein sollten. Zuerst nehmen wir Ihre Personalien auf.«
Schaller lächelte nach wie vor und polierte sich mit einem Seidentuch seine Designerbrille. »Das ist alles so in Ordnung, Herr Schultz. Jetzt sagen Sie uns bitte in Kürze, worum es geht. Mein Mandant wäre dankbar, wenn auf seine starken terminlichen Verpflichtungen Rücksicht genommen werden könnte.«
Schreiner starrte zur Decke, räusperte sich und fuhr sich mit der Hand in den Kragen seines dunkelblauen T-Shirts. Schultz war klar, dass er sich jetzt am meisten über einen Hinweis gefreut hätte, die Dauer der Vernehmung werde von den Strafverfolgern nach dem Aufklärungsbedarf bestimmt. »Herr Krawinckel, vor einigen Tagen ist das Mädchen Sunita Beuchert durch einen Sturz aus dem achten Stock eines Hauses auf der Zeil ums Leben gekommen. Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass jemand das Kind getötet hat. Kannten Sie Sunita?«
Mit einer Handbewegung verhinderte Schaller eine Antwort von Krawinckel. »Einen Moment, Herr Schultz. Bevor mein Mandant darauf antwortet, hätte ich gerne Akteneinsicht.«
Die Miene von Schultz verfinsterte sich. »Herr Rechtsanwalt, Sie wissen, dass Ihnen eine Akteneinsicht in dieser Phase des Verfahrens nicht zusteht. Das lehne ich ab.«
»Na schön! Wie Sie wollen. Dann erklären Sie uns eben, wieso Sie in dieser Angelegenheit überhaupt auf meinen Mandanten gekommen sind. Das wird uns viel Zeit und Aufwand sparen.«
Schultz runzelte die Stirn und rutschte auf seinem Sessel nach vorn. »Herr Rechtsanwalt, wir können uns jetzt sicher über Förmlichkeiten streiten. Das liegt bestimmt nicht im Interesse Ihres Klienten. Ich bevorzuge, die Vernehmung mit meiner vorhin an Herrn Krawinckel gestellten Frage fortzusetzen, ob er Sunita Beuchert kannte.«
»Wenn Sie unbedingt darauf bestehen wollen«, sagte Schaller. Krawinckel befühlte seine farblos lackierten Nägel, bevor er die Hände faltete und zu Schultz hinsah. »Ja, ich kannte sie.« Schreiner biss seine Zähne so fest aufeinander, dass der Kiefer knackte. Es dauerte einen Moment, bis Schultz erkannte, dass Krawinckel keine weiteren Erklärungen abgeben wollte. Wieder tippte er seine Fingerspitzen gegeneinander. »Herr Krawinckel, darf ich Sie darauf hinweisen, dass der Zeuge eine zusammenhängende Darstellung abzugeben hat. Bitte erläutern Sie, seit wann Sie Sunita kannten, wie Sie das Mädchen kennen gelernt haben, wie oft Sie das Kind getroffen haben und bei welchen Gelegenheiten.«
Krawinckel richtete seine blau-gelbe Versace-Krawatte. »Na schön, wenn es unumgänglich ist. Mit dem Vater von Sunita, Wolfgang Beuchert, bin ich menschlich und geschäftlich verbunden. Wir besuchten gemeinsam die Schule. Nachdem er die Kinder seines verstorbenen Bruders nach Deutschland geholt und adoptiert hatte, habe ich die beiden Mädchen regelmäßig anlässlich meiner Besuche bei ihm angetroffen. Die Ältere habe ich dann und wann einmal abgeholt, um mit ihr etwas zu unternehmen. Ihr war oft langweilig zu Hause. Auch an dem Vormittag, als Sunita starb, war ich bei Beucherts und wollte das Mädchen zu ein paar Einkäufen entführen. Karin Beuchert, Wolfgangs Frau, hatte kein Interesse an den Kindern und betrachtete sie als Fremdkörper in ihrem Haus. Ob Wolfgang ihnen innerlich näherstand, weiß ich nicht. Er musste viel Zeit für seine häufig
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