Das juengste Gericht
Trainingshalle befand sich eine Art vorgebauter Glaskasten, in dem ein bescheidenes Büro eingerichtet war. Immerhin gab es seitlich des Schreibtischs eine kleine Sitzgruppe für vier Personen. Dort ließ sich Wegmann nieder und bot den Polizisten an, sich zu ihm zu setzen.
Mit neugierigem Blick musterte Köhler Rainer Wegmann von oben bis unten und stellte für sich fest, dass Wegmann seinem Vorstellungsbild eines Zuhälters in sämtlichen Belangen entsprach. Ihm entging allerdings dabei nicht, dass Wegmann an den Knöcheln der linken Hand einige Schürfverletzungen aufwies. Köhler zeigte seinen Dienstausweis und deutete auf Sennelaub. »Das ist mein Kollege Sennelaub, Herr Wegmann. Mein Name ist Köhler. Wir sind von der Mordkommission.«
Als Wegmann das hörte, reagierte er nervös und begann, sich über das Schicksal Beucherts und die daraus für ihn resultierenden Folgen die ersten unangenehmen Gedanken zu machen. Er zuckte mit den Schultern.
»Wollen Sie nicht wissen, ob Ihr Opfer von gestern Abend noch am Leben ist?«, fragte Köhler.
Wegmann hatte zunächst etwas unsicher die körperlichen Proportionen Sennelaubs gemustert, dann aber seinen Gleichmut wiedergefunden. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Hören Sie, ich bin kein Beamter. Mir geht es nicht so gut wie Ihnen. Für mich ist nämlich nicht egal, wie lange ich hier sitze und dummes Zeug rede. Ich muss wieder raus und Geld verdienen. Sagen Sie mir, was Sie wollen, aber flott. Anderenfalls gehen Sie besser gleich wieder dorthin, wo Sie hergekommen sind.«
Sennelaub ließ seine Oberarmmuskeln unter seinem Jackett spielen und lächelte. »Sie sind sehr unfreundlich, Herr Wegmann. Wie wir vor unserem Besuch bei Ihnen überprüft haben, besitzen Sie bereits einige Erfahrung im Umgang mit der Polizei. Wir wollen doch zu Ihren Gunsten hoffen, dass Sie daraus gelernt haben, sich anständig zu benehmen. Sie wissen ja, dass Sie nicht aussagen müssen. Wenn Sie schon den Mund aufmachen, dann hören Sie auf, uns mit Ihren verlogenen Sprüchen anzuöden. Ich hoffe, dass das jetzt klar ist.«
Es musste die Ruhe und Selbstsicherheit in der Sprechweise Sennelaubs gewesen sein, die Wegmann beeindruckte. Er wirkte plötzlich zurückgenommen. »Was wollen Sie von mir?«
Köhler wusste, dass er verpflichtet gewesen wäre, Wegmann gleich zu Beginn über den Anlass seines Besuches zu unterrichten.
Andererseits hatte er im Laufe der Berufsjahre so viel an Menschenkenntnis gewonnen, dass ihm die Notwendigkeit dafür nicht bei jedem Beschuldigten zwingend erschien. »Machen wir es kurz, Herr Wegmann. So, wie Sie es eben gewünscht haben. Sie haben gestern Abend in der Nähe des Südbahnhofs gemeinsam mit einem Mittäter einen Mann zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Lassen Sie am besten jetzt die Ausflüchte und Mätzchen. Sie sind gesehen worden. Mit anderen Worten: Wir haben Zeugen. Wollen Sie uns nun weiter für dumm verkaufen, oder können wir jetzt zum vernünftigen Teil der Vernehmung übergehen?«
»Wer will mich gesehen haben?«
»Das tut nichts zur Sache.«
Wegmann lehnte sich zurück und setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Sie bluffen. Sie wollen mich reinlegen. Ich sage ohne meinen Anwalt kein Wort mehr.«
Köhler hob den Zeigefinger. »Das würde ich mir an Ihrer Stelle reiflich überlegen. Noch ist nicht sicher, ob Ihr Opfer überlebt. Im Übrigen stehen wir mit unseren Ermittlungen völlig am Anfang. Wir kennen bisher weder Ihren Mittäter noch das Motiv für die Tat. Ich will damit sagen, dass Sie durch eine umfassende Aussage bei der Höhe der für Sie zu erwartenden Strafe Boden gutmachen können.«
Mit seiner imposanten Pranke fuhr sich Wegmann durch seine blondierten Dauerwellen und kratzte sich am Kopf. »Sie wissen, dass Sie mich nicht verladen dürfen? Wenn Sie zu Unrecht behaupten, ich sei belastet worden, können Sie meine Aussage in den Mülleimer werfen.«
Die hochgezogenen Augenbrauen von Köhler nahmen dieselbe runde Form an wie seine glutroten Wangen. »Wie gut Sie sich doch in der Strafprozessordnung auskennen. Das verrät den Fachmann. Wenn Sie das so genau wissen, spricht doch alles für eine wahrheitsgemäße Aussage von Ihnen.«
Wegmann zeigte lachend seine Keramikzähne und spielte an seiner Rolex. »Es stimmt. Ich war dabei. Aber es war alles ganz anders, als Sie vermuten. Die Wahrheit ist, dass mein Vater jemanden, den ich nicht kenne, um Geld angegangen ist. Er ist ständig pleite. Der Unbekannte bot ihm
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