Das Juwel der Elben
Hals hetzen!“, lachte Sarwen.
„Und jetzt trauen sie sich nicht mehr näher!“
„Schön wär's“, zweifelte Daron. „Aber ehrlich gesagt, ich glaube eher, dass die stechenden Insekten sie insgesamt noch wütender gemacht haben“
„Und warum kommen sie dann nicht her?“, fragte Sarwen.
„Keine Ahnung“, antwortete ihr Bruder und zuckte mit den Schultern.
„Auch die hereinbrechende Dunkelheit ist für diese Kreaturen kein Grund, ihre Suche aufzugeben. Schließlich haben sie ja ohnehin keine Augen. Da muss noch irgendetwas anderes dahinterstecken.“
„Sag so was nicht!“, bat das Elbenmädchen.
„Wieso?“
„Na, wenn sich die Trorks vor etwas fürchten, dann ist es für uns erst recht gefährlich, meinst du nicht auch?“
„So habe ich das noch nicht betrachtet.“
„Auf jeden Fall sollten wir aufpassen.“
Daron nickte. „Dann machen wir auch besser kein Feuer. Erstens kann man das ziemlich weit sehen …“
„Auch die augenlosen Trorks?“
„Sie benutzen doch offenbar selbst Feuer. Schließlich haben sie das Riesenmammut mit Fackeln vor sich her gescheucht. Ich weiß zwar nicht, wie sie das ohne Augen hinbekommen, aber wir müssen damit rechnen, dass sie ein Feuer bemerken. Und wer weiß, wer sonst noch.“
Sarwen war von dem Gedanken an eine Nacht ohne schützendes Feuer nicht sehr begeistert, zumal es diesmal genügend brennbares Material in ihrer Umgebung gab. Aber da sie oben auf dem Felsen nicht damit rechnen mussten, dass sie plötzlich von Flügelschlangen attackiert wurden
– es sei denn, die waren in der Lage, sich durch das Gestein zu beißen -, gab sie schließlich ihre Zustimmung.
„Trotzdem sollten wir uns beim Wachehalten ablösen“, sagte sie.
„Das ist doch selbstverständlich.“
Daron übernahm die erste Wache. Er lauschte angestrengt in jene Richtung, wo er die Trorks vermutete. Aber es war kaum noch etwas zu hören, und auch die Bewegungen zwischen den Riesenschachtelhalmen wurden seltener. Konnte es sein, dass sich die Trorks etwa ganz zurückgezogen hatten? Oder waren sie einfach nur geschickter geworden und vermieden unnötige Geräusche?
Andererseits war es fast unmöglich, sich so leise anzuschleichen, dass ein Elbenohr dies nicht mitbekam, zumal Daron und Sarwen auf das Auftauchen der Trorks vorbereitet waren.
Was die Nebelgeister betraf, sollte Sarwen recht behalten: Immer wieder vernahm Daron ihre Gedankenstimmen. Dichte Schwaden krochen vom Fluss herauf und näherten sich langsam dem Felsen, auf dem die beiden Elbenkinder lagerten. Der Mond strahlte die Schwaden auf eine ganz seltsame Weise an, dass es schien, als würde der Nebel von sich heraus leuchten.
„Kannst du uns hören, Daron?“, fragte eine Gedankenstimme. Aber Daron versuchte, diese Stimme nicht zu beachten. Stattdessen lauschte er konzentriert in die Nacht hinein. Einerseits warnte ihn das vielleicht frühzeitig, falls die Trorks doch noch auf der Jagd nach ihnen waren und einen Überfall durchführen wollten, und andererseits lenkte es ihn von den Verheißungen ab, die ihm die Gedankenstimmen der Nebelgeister versprachen.
Es wurde stockdunkel, und selbst der Mond verschwand irgendwann hinter dichten Wolken. Kein Stern war mehr am Himmel zu sehen. Selbst für die ausgezeichneten Augen eines Elben gab es nur noch wenig in der Umgebung zu entdecken.
Umso wichtiger wurde das Gehör. Die Geräusche und Stimmen von unzähligen Geschöpfen erfüllten die Nacht. Die Grablaute der Flügelschlangen etwas waren nicht zu überhören. Ihr Schaben lieferte den Hintergrund für alles andere, was in diesen Wäldern geschah. Die riesigen Laufvögel waren ab und an zu hören, und hier und dort gingen Greifvögel und eulenähnliche Geschöpfe auf die Jagd. Zwischen all dem vernahm Daron dann allerdings auch etwas, was ihn sehr verwunderte.
Musik!
Ganz leise drang sie an sein spitzes Ohr. Da war der Schlag einer Trommel, irgendein Flöteninstrument und die Stimme eines Sängers zu hören. Der Wind blies leicht aus jener Richtung und trug die Musik für ein paar Augenblicke an Darons Ohr. Dann war sie zunächst einmal nicht mehr zu hören, und als sie dann erneut aufklang, weckte er Sarwen. „Hör mal!“, sandte er ihr einen sehr intensiven Gedanken, der augenblicklich dafür sorgte, dass sie wach wurde.
Sie lauschte und vernahm ebenfalls die Musik.
„Sollte in dieser Gegend tatsächlich jemand leben, der musizieren kann?“, fragte sie sich laut.
„Vielleicht hat uns unser
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