Das Kabinett der Wunder
hoffe, du wirst darin einmal besser sein als ich. Prinz Rodolfo ist sehr charmant und überzeugend. Er wirkte wach, klug und freundlich. Nach diesem ersten Treffen war ich bereit zu glauben, dass die Menschen ihn falsch beurteilt und ihm die Schuld an Dingen gegeben haben, die er nicht beeinflussen konnte, wie zum Beispiel das Wetter oder die Beschlüsse seiner Berater, als er noch jünger war. Außerdem« - ihr Vater schwieg einen Moment - »war ich von dem Projekt fasziniert. Nachdem es mir angetragen worden war, ließ mich die Idee nicht mehr los. Sie spukte mir im Kopf herum, und ich hatte so viele Einfälle, dass ich sie einfach verwirklichen musste.«
Petra schwieg, weil sie spürte, dass zwar alles stimmte,
was ihr Vater gesagt hatte. Aber die Pause, die er gemacht hatte, bevor er anfing zu sprechen, bedeutete, dass das, was er gesagt hatte, nicht die ganze Wahrheit war. »Es ist einfach nur eine Uhr. Du hättest eine für den Bürgermeister von Okno machen können, wenn du gewollt hättest.«
»Aber so eine Uhr? Mit solchen Hilfsmitteln und talentierten Arbeitern aus dem ganzen Reich? Nein, niemals. Weil …« Er biss sich auf die Lippen. »Petra, du musst sehr aufpassen, dass du das, was ich dir jetzt sage, niemandem weitererzählst.«
Ihre Neugier war geweckt. »Natürlich nicht.«
»Niemandem!« Er griff nach ihrer Hand. »Nicht einmal Tomik.«
»Mache ich nicht. Das verspreche ich dir.«
Seine Hand entspannte sich ein bisschen, hielt die ihre aber noch fest. »Diese Uhr ist mehr, als sie zu sein scheint. Du weißt doch, dass die Beziehung zwischen Wetter und Zeit sehr eng ist. Was wir einen ›Monat‹ nennen, ist die Zeit, die der Mond braucht, um voll zu werden und wieder abzunehmen. Der Mond steuert die Gezeiten und die Gezeiten verändern die Gestalt des Festlands. Manchmal nehmen sie Stücke von ihm fort, manchmal geben sie Stücke davon zurück. Die Gezeiten bringen Regenwolken und der Wind schiebt sie über das Land. Jahrelang haben wir geglaubt, dass sich die Sonne um die Erde herum bewegt, doch ich habe am Hof des Prinzen gelernt, dass das nicht so ist. Genau das Gegenteil stimmt: Die Erde umkreist die Sonne. Und wir teilen die Zeit, in der wir die Sonne sehen, und die Zeit, in der wir sie nicht sehen, in
Stunden auf. Und es ist die Sonne, die bestimmt, wie warm es wird.«
Petra schwirrte der Kopf. Wovon sprach er eigentlich? Die Erde bewegte sich um die Sonne? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn.
»Der Prinz hatte eine Idee. Du musst zugeben, sie ist genial. Ich wäre nie darauf gekommen, doch als er sie erst einmal vorgeschlagen hatte, erkannte ich sofort die Möglichkeiten, die in ihr lagen. Ich konnte sehen, wie viel besser es Böhmen dadurch gehen würde. Und ich fühlte ganz genau, dass der Prinz kein böses Herz haben konnte. Er wollte damit wiedergutmachen, was er an falschen Entscheidungen getroffen hatte.Verstehst du, er fragte sich, ob es möglich wäre, eine Uhr herzustellen, die mächtig genug wäre, das Wetter zu beeinflussen. Die Elemente des Wetters - die Sonne und der Mond - beeinflussen die Zeit. Vielleicht könnten wir es schaffen, dass das Gegenteil geschah. Wir könnten den Weg der Einflüsse umkehren und die Zeit dazu bringen, Sonne und Mond zu verändern. Der Prinz hat gesagt, dass es mit einer solchen Uhr nie wieder eine Trockenheit geben würde. Das Wetter würde so überwacht, dass es genau die richtige Menge an Regen, Sonne und Wolken hervorbrächte, die notwendig wäre, um jedes Jahr Rekordernten von Raps zu erzielen.«
Also das war es gewesen, warum sich ihr Vater vor seiner Abreise nach Prag so stark mit Blitz und Magie beschäftigt hatte. Während Petra ihm zuhörte, fühlte sie sich zunehmend elender. Etwas, was sie immer an ihm geliebt hatte - die Art, wie er vor sich hin brummelte, als ob niemand in
der Nähe wäre, oder einen Federkiel in ein Glas Milch tauchte, ohne es zu merken, weil er eine Idee im Kopf hatte -, schien nun eine verhängnisvolle Sache zu sein. Oft hatte er so intensiv an Projekten gearbeitet, dass er die Welt um sich herum vergaß. Doch nie zuvor hatte das zu etwas derartig Gefährlichem geführt.
»Ich war keineswegs sicher, ob ich es schaffen würde, als ich das Projekt übernahm«, sprach Mikal Kronos weiter. »Ich habe versprochen, dass ich es versuchen würde, mehr nicht. Ich habe versprochen, dass ich ihm eine Uhr schaffe, die in der Lage wäre, mit ihrer Schönheit ganz Europa zu verblüffen, doch etwas herzustellen, das das
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