Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
hier. Und selbst dabei …«
»Glauben Sie, ich kann hinfahren?«
»Es ist gefährlich. Selbst mit meinem Sohn laufen Sie Gefahr, hingerichtet zu werden. Ihr Bart ist nicht dicht genug, es wird nicht lange dauern, und Sie gelten als Ungläubiger.«
»Es gibt kein Zurück mehr«, erwiderte er. »Ich muss diese Akte nach Kabul bringen. Aber ich darf Ihren Sohn nicht in Gefahr bringen, leihen Sie mir einfach einen Wagen, Rangin und ich, wir werden allein zurechtkommen.«
»Alleine finden Sie das nie. Und außerdem sprechen Sie Paschtunisch mit dem typischen Dari-Akzent aus Kabul, man wird sofort merken, dass sie nicht aus der Region stammen. Sie brauchen jemanden, der sich in der Gegend auskennt. Ichwerde meinen Sohn anrufen, in einer Stunde ist er hier. Lassen Sie mich nur machen.«
Osama bot ihr kein Geld an, da er sicher war, dass Kukur tödlich beleidigt gewesen wäre. Er fragte sie aber, wo er Waffen und ein Scharfschützengewehr kaufen konnte.
»Wozu?«
»Für mich. Ich war Scharfschütze bei der Nordallianz.«
»Davon hat Malalai mir gar nichts erzählt.«
»Ich bin nicht gerade stolz darauf. Männer zu töten ist nichts, dessen man sich rühmen sollte.«
»Dieses Land zwingt uns, Dinge zu tun, auf die wir nicht stolz sind«, gab sie zu bedenken.
Sie schrieb einen Namen und eine Adresse auf ein Stück Papier.
»Dieser Mann wird ihnen alle Waffen besorgen, die Sie brauchen. Er arbeitet sowohl für die Taliban als auch für die Armee, also sehen Sie sich vor, er ist eine wahre Schlange.«
Osama dankte ihr aufrichtig. Rangin wartete in dem Café gegenüber dem Kommissariat auf ihn. Er hatte eine Cola vor sich, ein Getränk, das sich bei den Taliban größter Beliebtheit erfreute, seit ein Werk in Pakistan eröffnet worden war. Osama ließ Kukurs Geländewagen zunächst vor dem Kommissariat stehen, er wollte lieber mit dem Taxi zu dem Waffenhändler fahren, denn er kannte sich in Kandahar nicht aus. Die Stadt entsprach dem, was er von ihr gehört hatte: Sie war hässlich, flach, laut und schmutzig. Sie brauchten mehr als vierzig Minuten bis zu dem Ort, den ihnen Officer Kukur angegeben hatte, dabei waren es weniger als fünf Kilometer. Das Taxi hielt vor einem kleinen Souk an.
»Wo genau ist es?«, fragte Osama.
Der Taxifahrer deutete verächtlich und vage auf den Basar. Dort herrschte eine seltsame Atmosphäre. Osama hatte das Gefühl, dass die Händler so taten, als sähen sie ihn nicht. Als er sich zu Rangin umdrehte, bemerkte er, dass der Assistentseinen
Pakol
aufgesetzt hatte, die typische Kopfbedeckung der Tadschiken, welche die Paschtunen im Süden ungefähr genauso hassten wie die Amerikaner.
»Steck deine Kopfbedeckung wieder ein!«, befahl er wütend. »Warum setzt ausgerechnet du, ein Paschtune, einen tadschikischen
Pakol
auf, hier im Schlupfwinkel der Taliban! Was hast du mit deinem Turban angestellt?«
»Den habe ich im Café vergessen«, gestand Rangin. »Ich bin es nicht gewohnt, einen Turban zu tragen. Verzeihung,
Qoumaandaan
.«
Nachdem Rangin seinen Kopf entblößt hatte, entspannte sich die Situation wieder. Mehrere Händler riefen sie zu sich, um ihnen Obst, Burkas, Munition oder sexuelle Stärkungsmittel anzubieten. Auf diesem Basar gab es alles, selbst die verbotensten Dinge. Sie ließen das Budengewirr hinter sich und standen schließlich vor dem Laden, dessen Namen Kukur aufgeschrieben hatte. Osama befahl Rangin, vor der Tür zu warten.
In dem Geschäft wurden Töpfe und Patronen verkauft, außerdem militärische Ausrüstung, amerikanische, russische und pakistanische Uniformen. Viele Kufiya-Tücher, ein Zeichen dafür, dass die arabischen al-Qaida-Kämpfer sich hier ausstatteten, denn sie waren die Einzigen, die sie in Afghanistan trugen. Osama fragte sich, weshalb der NDS einen derartigen Handel mitten in Kandahar duldete. Der Händler begrüßte Osama. Er reichte dem Kommissar gerade einmal bis zur Schulter und war sichtlich beeindruckt von der Stattlichkeit seines Besuchers.
Nach einer Reihe gedrechselter Formeln fragte der Händler Osama, was er denn wünsche.
»Ich möchte zwei Rucksäcke, zwei Feldflaschen, Handschuhe, Mützen, zwei Schlafsäcke, zwei Taschenlampen und eine Schaufel«, zählte Osama auf.
»Ich habe Schlafsäcke der russischen Armee, aber die sind nicht von bester Qualität. Ich habe etwas Besseres, aber das ist auch teurer.«
»Kann ich mal sehen?«
Der Händler kam mit zwei zusammengerollten Schlafsäcken in Schutzhüllen zurück. Eine davon war
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