Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Computer.
»Hier … Da habe ich es. Wir haben für Ihren Mann, diesen Lionel Milton, einen gesicherten Transport durchgeführt. Fünfhundertfünfundsiebzig Flaschen großer französischer Crus im Wert von zwei Millionen fünfhunderttausend Franken. Äußerst seltene Flaschen, selbst in Frankreich findet man die nicht. Das Bild war ein Manet, versichert im Wert von vierzehn Millionen Pfund … Der Titel des Bildes ist:
Baignade au bord du lac
.«
»Wann und wohin haben Sie es geschickt?«
»Am 25. Februar. Wir haben es nach Australien geschickt. Eine Adresse in Perth, der Name war Zahra Kimzi.«
***
Am nächsten Morgen brachen Osama und seine zwei Kameraden wieder auf. Sie fuhren über eine vom Wind gepeitschte Ebene, bis sie schließlich an einem Hügel entlang in ein breites und nicht sehr tiefes Tal gelangten. Dort floss ein Bach, es gab ein paar Bäume, Weiden und Ulmen. Je höher die Sonne stieg, desto höher stiegen auch die Temperaturen, schon bald mussten sie trotz des Staubs die Fenster herunterkurbeln, weil das Wageninnere kochend heiß wurde. Nach etwa zehn Kilometern bemerkte Osama, dass sich ihr Wagen nach rechts neigte.
»Irgendwas ist mit dem Reifen«, sagte er.
Der Reifen verlor zusehends Luft. Sie mussten anhalten, und während sie mit dem Reifenwechsel beschäftigt waren, kamen ein paar Kinder auf sie zu. Eines von ihnen warf einen Stein, der Rangin an den Kopf traf. Er taumelte vor Schmerzen und wollte zu seinem Gewehr greifen. Doch Osama packte ihn am Handgelenk. »Lass es. Es hat keinen Sinn, dass wir die Dorfbewohner gegen uns aufbringen.«
Sie brachten das Ersatzrad an und verschnauften kurz. Gerade als sie wieder aufbrechen wollten, sah Osama eine Gruppe von Männern mit Turbanen näher kommen. Sie waren armselig gekleidet, trugen aber jeder eine Kalaschnikow am Schulterriemen. Abdullah wurde bleich. Osama legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Bleib ruhig. Ich werde mit ihnen sprechen.«
Sie waren ein gutes Dutzend. Lange buschige Bärte, schmutzige Turbane, finstere Gesichter. Offensichtlich waren Osama und seine Gefährten hier nicht willkommen. Ihr Anführer hielt sich in der Mitte, ihm fehlte ein Teil des Gesichts, die Nase war schief und schlecht angenäht worden, und dort, wo sein rechtes Auge gewesen war, hing ein verbrannter Hautlappen herab. Er war schrecklich anzusehen.
»Bakhena ghuarum«,
begann Osama diplomatisch auf Paschtunisch. »Ein langes Leben, mögen euer Leib stark und eure Familie robust sein!«
»Wer seid ihr?«, fragte der Mann unvermittelt. »Was habt ihr hier zu suchen?«
»Wir fahren in ein bestimmtes Dorf. Es liegt fünf Stunden von hier auf der anderen Seite der Hügel, Richtung Süden. Wir müssen euer Gebiet durchqueren, um auf die andere Seite zu gelangen.«
»Das geht nicht. Kein Fremder darf das. Ihr müsst auf der Stelle umkehren. Oder ihr kommt mit uns nach unten an den Fluss, dort können wir in Ruhe reden.«
Bei diesen Worten traten einige der Bewaffneten vor und machten Anstalten, sich strategisch zu verteilen. Osama hatte keinen Zweifel mehr, dass er einen Talibanchef vor sich hatte.
»Wir haben nicht die Absicht, hinunter zum Fluss zu gehen«, erwiderte er. »Wir wollen nämlich hinauf auf diesen Hügel, um ins nächste Tal hinunterzufahren.«
»Am Fluss ist es angenehm«, beharrte der Anführer. »Wir werden uns dort sehr wohlfühlen.«
Osama hatte das unbehagliche Gefühl, dass der Taliban sie in eine Falle locken wollte; sie mussten beisammenbleiben, und zwar in der Nähe des Wagens. Mit herrischer Stimme entgegnete er: »So achtet also ein Anführer das Gesetz der
Melmastia
? Haben die Paschtunen dieser Gegend ihre Tradition vergessen? Ist die Gastfreundschaft, die Fremden entgegengebracht wird, der Feindseligkeit gewichen? Haben euch die Ausländer die Regeln unserer Kultur ausgetrieben?«
Das Gesicht des Anführers verdüsterte sich. Die
Melmastia,
das Gebot, einen Besucher würdig zu empfangen und ihm zu helfen, sollte er in Schwierigkeiten sein, war das Herz der paschtunischen Tradition. Sich dies von diesem Riesen mit den seltsam grünen Augen in Erinnerung rufen zu lassen kehrte das Kräfteverhältnis um und diskreditierte ihn gleichzeitig vor seinen Männern. Er zögerte.
»Ich brauche eure Hilfe«, sagte Osama schließlich. »Ihr müsst eurem in Not geratenen afghanischen Bruder helfen.«
»Du kannst weiterfahren«, rang sich der Anführer durch. »Ich sehe an deiner Haltung, dass du ein Mann der Wahrheit bist.
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