Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
war die Sache hier in Bern. Er holte Nicks Personalakte aus dem Safe und begann sie eingehend zu studieren. Neunundzwanzig Jahre. Die Mutter Schweizerin, Krankenschwester, der Vater Engländer, Strafanwalt in einer der angesehensten Kanzleien Londons, ein vier Jahre älterer Bruder, Banker in Singapur. Die Scheidung der Eltern hatte dauerhafte Spuren hinterlassen, die beiden Brüder sprachen kaum mehr miteinander, die Eltern schon gleich gar nicht. Nicks Mutter hatte wieder geheiratet, einen seltsamen Kauz, seines Zeichens Bienenzüchter, mit dem sie im Osten Frankreichs lebte. Nick hatte eine eher mittelmäßige höhere Schulausbildung durchlaufen, seit seinem vierzehnten Lebensjahr im Internat, dann ein äußerst erfolgreiches Doppelstudium in Mathematik und Orientalistik an der Universität Genf absolviert. Bereits damals war Nick durch seine Vorliebe für Extremsport aufgefallen, die so gar nicht zu seinem zurückhaltenden Wesen und dem schmächtigen Körperbau eines Intellektuellen passte. Vielleicht war dies seine Art, die Scheidung seiner Eltern zu verarbeiten, die ihn mehr oder weniger sich selbst überlassen hatten? Auf Betreiben eines seiner Professoren für seltene Sprachen bewarb Nick sich anschließend beim SND, dem staatlichen Schweizer Nachrichtendienst. Dort wurde er schon bald als »außergewöhnliches Element« wahrgenommen. Jedes Jahr belegte er den Spitzenplatz in der Analystenklasse. Drei Jahre später war er, auf direkte Empfehlung des Leiters des SND, zur »Firma« gestoßen, um dort eine Einheit zur strategischen Analyse aufzubauen. Seit er dort arbeitete, hatte Nick zwei Aktionen durchgeführt, die ihm innerhalb des Unternehmens einen legendären Ruf verschafft hatten. Die erste hieß »Air Kamikaze«, eine im Auftrag der CIA von der Firma durchgeführte Operation. Die Idee stammte ursprünglich von Nick, der sie dann auch von A bis Z umsetzte: Er baute ein Netz von Reisebürosfür Dschihad-Kandidaten auf, die vom Westen kontrolliert werden sollten. Eine in der Schweiz stark vertretene Bank aus der Golfregion griff bei der Finanzierung der Filialen mit Krediten und Ratschlägen unter die Arme. Die Leitung übernahmen Hardcore-Islamisten aus dem Mittleren Osten und aus Pakistan, die als gefährlich eingestuft waren. Selbstverständlich ahnten sie nicht, dass die CIA ihre Reisebüros finanzierte und organisierte und dass ihre Aktivitäten bis ins kleinste Detail mittels aller elektronischen Mittel, über die die westlichen Geheimdienste verfügten, kontrolliert wurden. Die auf diese Weise organisierten Reisebüros, insgesamt zweiundvierzig an der Zahl, hatten Flugtickets für etliche Nachwuchsterroristen ausgestellt, die überwacht wurden, sobald sie in das befreundete Land eingereist waren. Mehrere Attentate waren so in Europa und in den USA vereitelt worden, ohne dass irgendjemand Verdacht geschöpft hätte. Noch heute existierten diese Reisebüros.
Die zweite von Nick in die Wege geleitete Aktion trug den Namen »Halal – reines Schwein«. Das Ganze begann damit, dass ein Geistlicher, der Imam Sadar, in einer besonders ausführlichen Fatwa mitgeteilt hatte, dass im Gegensatz zu dem, was die meisten Moslems glaubten, das Schwein an sich nicht unrein sei; man könne es verzehren und sogar als Haustier halten, sofern es einer reinen, am Golf beheimateten Rasse entstammte, die es bereits zu Zeiten des Propheten gegeben hatte und die sich »Halal-Schwein« nannte. Sofort wurde eine »Anti-Halal-Schwein«-Website aus dem Boden gestampft, auf Arabisch, Persisch, Dari, Englisch, Französisch und in einem Dutzend weiterer Sprachen, die zum Widerstand gegen den Imam Sadar aufrief und diesen bezichtigte, ein Ungläubiger und ein Geheimagent Israels zu sein. Die Kontroverse breitete sich im Schneeballsystem aus und führte zu einem riesigen Debattenforum. Die Anti-Hallal-Schwein-Website wurde zu einem Treffpunkt von Millionen Moslems aus aller Welt. In allen Internetcafés des Mittleren Orients und anderswo stürzten die Gläubigen sich auf die Site,um die von eins bis sieben eingestuften Fatwas zu unterstützen, welche vom Tadel bis zur Enthauptung des Imams Sadar reichten. Die Gläubigen konnten außerdem per SMS ihre Brüder unterstützen, welche sich bereit erklärt hatten, den Imam aufzuspüren, über den ganzen Globus hinweg zu verfolgen und dann zu töten. Hunderttausende Moslems sprachen sich für die mörderische Fatwa aus, hinzu kamen die noch zahlreicheren Befürworter, die ihre Zustimmung
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