Das Kadett
Besenkammer des Hausmeisters fanden sie eine Rolle Draht. »Mörder!«, schrie Calhoun, als sie sich ihm damit näherten. Miles knebelte ihn, dann rollten sie den Draht um ihn herum, bis der Verschrotter einer orangefarbenen Mumie glich.
»Die Reisetasche, Ivan«, sagte Miles.
Ivan öffnete sie. Miles stopfte Calhoun in Hemd und Sarong bündelweise betanische Dollar.
»… achtunddreißig, neununddreißig, vierzigtausend«, zählte Miles.
Ivan kratzte sich am Kopf. »Weißt du, irgendwie ist das altmodisch …« Calhoun rollte mit den Augen und stöhnte. Miles nahm ihm den Knebel aus dem Mund.
»… plus zehn Prozent!«, keuchte Calhoun.
Miles knebelte ihn wieder und zählte nochmals viertausend Dollar ab. Die Reisetasche war jetzt viel leichter. Dann schlossen sie die Kammer ab.
»Miles!« Seine Großmutter umarmte ihn und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. »Gottseidank, dass Captain Dimir dich gefunden hat! Die Leute von der Botschaft haben sich schon schreckliche Sorgen gemacht. Cordelia sagt, dein Vater glaubt nicht, dass er das Datum für die Anhörung im Rat der Grafen ein drittes Mal verschieben kann.«
Dann sah sie Elli Quinn und verstummte. »Ach du liebe Güte!«
Miles stellte ihr Ivan vor und sagte, dass Elli eine Freundin von einem anderen Planeten sei, die hier niemand kenne und auch nicht wisse, wo sie wohnen solle. Mrs. Naismith verstand sofort seine unausgesprochene Bitte, die verletzte Söldnerin ihrer Obhut zu übergeben. Sie meinte nur: »Ja, ja, wieder mal eines dieser lahmen Hündchen.« Miles schickte ein stummes Dankgebet für sie hinauf.
Dann bat seine Großmutter alle ins Wohnzimmer. Miles setzte sich auf die Couch und musste dabei an Bothari denken. Die Erinnerung schmerzte. Er fragte sich, ob der Tod des Sergeants zu einer alten Kriegsverletzung werden würde, die bei jedem Wetterwechsel wieder weh tat.
Als hätte Mrs. Naismith seine Gedanken gelesen, fragte sie: »Wo ist der Sergeant und wo ist Elena? Berichten sie in der Botschaft? Ich bin überrascht, dass sie dich mich besuchen lassen. Lieutenant Croyes Äußerungen zufolge, dachte ich, sie würden dich an Bord des nächsten Schnellkuriers nach Barrayar schaffen, sobald sie dich in die Hände bekämen.«
»Wir waren noch nicht in der Botschaft«, gestand Miles. »Wir sind direkt hierher gekommen.«
»Ich habe dir gesagt, wir hätten uns erst dort melden sollen«, sagte Ivan. Miles winkte ab.
Seine Großmutter blickte ihn durchdringend an. »Was ist passiert, Miles? Wo ist Elena?«
»Sie ist in Sicherheit«, antwortete Miles. »Aber sie ist nicht mitgekommen. Der Sergeant ist vor fast drei Monaten ums Leben gekommen. Es war ein Unfall.«
»Oh«, sagte Mrs. Naismith und saß eine Zeitlang stumm da. »Ich muss gestehen, ich habe nie verstanden, was deine Mutter an diesem Mann gut fand, aber ich weiß, dass man ihn schmerzlich vermissen wird. Willst du Lieutenant Croye von hier aus anrufen?«
Dann musterte sie Miles mit schief gelegtem Kopf. »Hast du etwa während der letzten fünf Monate irgendwo das Training für einen Sprungpiloten absolviert? Das hättest du meiner Meinung nach nicht so geheim halten müssen. Ich bin ganz sicher, dass Cordelia dich unterstützt hätte und …«
Miles berührte verlegen einen Silberkreis. »Das ist eine Attrappe. Ich habe mir die Identifikation eines Sprungpiloten ausgeborgt, um durch den Zoll zu kommen.«
»Miles!« Vor Ungeduld wurden ihre Lippen schmal. Sorgenfalten standen zwischen den schön geschwungenen Brauen. »Was ist eigentlich los? Hat das alles mit dieser abscheulichen Barrayaranischen Politik zu tun?«
»Ich fürchte, ja. Aber erzähle mir schnell, was du von zu Hause gehört hast, seit Dimir hier abgereist ist.«
»Laut deiner Mutter sollst du dich vor dem Rat der Grafen wegen irgendeiner erlogenen Anklage wegen Verrats verantworten – und zwar sehr bald.«
Miles schenkte Ivan ein Hab-ich-dir’s-nicht-gleich-gesagt-Nicken. Ivan fing an, am Daumennagel zu kauen.
»Offenbar hat es jede Menge übelster Machenschaften hinter der Szene gegeben. Ich habe nicht einmal die Hälfte von dem verstanden, was auf ihren Disketten steht. Ich bin überzeugt, nur ein Barrayaraner kann verstehen, wie diese Regierung dort funktioniert. Für jeden, der klar denken kann, hätte sie schon vor Jahren zusammenbrechen müssen. Aber, was soll’s! Auf alle Fälle scheint es sich hauptsächlich darum zu drehen, dass die Anklage wegen Verrats geändert werden soll, von einem Verstoß
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