Das Kadett
Arzt nahm Miles beiseite, um ihm noch einige letzte Anweisungen für die Pflege während der Fahrt zu geben. Außerdem ermahnte er Miles, auf den noch nicht vollständig ausgeheilten Magen zu achten. Miles klopfte auf den Flachmann, in dem jetzt Medizin war, und schwor, alle zwei Stunden dreißig Kubikzentimeter davon einzunehmen. Dann nahm er behutsam die Hand der Verletzten und legte sie auf seinen Arm. Auf Zehenspitzen konnte er ihr Ohr erreichen. »Es kann losgehen. Der nächste Halt ist die Kolonie Beta.«
Sie fuhr mit der anderen Hand durch die Luft, bis sie sein Gesicht fand. Sie versuchte mit der verstümmelten Zunge Worte zu formen. Beim zweiten Mal verstand Miles sie. »Danke, Admiral Naismith.« Er hätte weinen können.
»Nun denn«, sagte Miles. »Lasst uns ablegen, ehe das Bon Voyage Komitee aufwacht und uns noch zwei Stunden aufhält!« Aber es war schon zu spät. Aus dem Augenwinkel sah er eine schlanke Gestalt herbeieilen. Baz folgte etwas langsamer.
Elena kam ganz atemlos an. »Miles! Du wolltest abreisen, ohne dich zu verabschieden!«
Er seufzte und zwang sich ein Lächeln ab. »Wieder mal Pech gehabt!« Ihre Wangen waren gerötet, die Augen blitzten. Wie ungemein begehrenswert sie doch war … Er hatte das Herz doch schon gegen diesen Abschied abgehärtet. Warum schmerzte es so? Baz traf ein. Miles verbeugte sich vor beiden.
»Commander Jesek, Commodore Jesek. Weißt du, Baz, vielleicht hätte ich dich zum Admiral machen sollen. Die Namen könnten bei einer schlechten Verbindung verwechselt werden …«
Baz schüttelte lächelnd den Kopf. »Du hast mich schon mit genug Ehre überschüttet, Mylord. Ehre und noch viel mehr …« Seine Augen suchten Elena. »Ich dachte einmal, es würde eines Wunders bedürfen, aus einem Niemand wieder einen Jemand zu machen.« Er lächelte. »Ich hatte recht. Und ich danke dir.«
»Und ich danke dir auch«, sagte Elena leise. »Für ein Geschenk, das ich nie erwartet hätte.«
Miles legte neugierig den Kopf schief. Meinte sie Baz? Ihren Rang? Flucht aus Barrayar?
»Mich selbst«, erklärte sie.
Irgendwie schien ihm ein Trugschluss in ihrem Gedankengang zu sein; aber es war nicht genug Zeit, um diesen zu suchen. Dendarii strömten jetzt durch mehrere Eingänge auf die Dockanlage. Sie kamen zu zweit, zu dritt und in größeren Gruppen. Die Lichter wurden auf volle Tageszyklusstärke geschaltet. Miles’ Plan, sich heimlich davonzumachen, war fehlgeschlagen.
»Also jetzt aber wirklich ›Lebt wohl!‹«, sagte er verzweifelt. Dann schüttelte er schnell Baz die Hand. Elena umarmte ihn mit nassen Augen. Zu spät …
Als sie ihn losließ, streckten sich ihm unzählige Hände entgegen. Einige konnte er schütteln, andere wollten ihn nur noch berühren. Bothari hätte einen Herzinfarkt bekommen. In Gedanken entschuldigte sich Miles beim Sergeant.
Die Dockanlage war jetzt eine wogende Menschenmenge. Bald erklang wie aus einem Mund der Ruf: »Naismith! Naismith! …« Hilflos hob Miles die Hände, um die Menge zu beschwichtigen. Dabei fluchte er leise vor sich hin. In jeder Menge gab es einen Idioten, der so etwas anfing. Jetzt hoben Elena und Baz ihn auf die Schultern. Nun musste er auch noch eine verdammte Abschiedsrede halten. Er senkte die Hände, und zu seiner Überraschung trat Ruhe ein. Er hob die Hände wieder, und schon ging auch das Gebrüll weiter. Wie ein Dirigent senkte er die Arme langsam. Absolute Stille. Es war einfach beängstigend.
»Wie ihr sehen könnt, bin ich so groß, weil ihr alle mich so hochgehoben habt«, fing er an. Dankbares Lachen vom Publikum. »Ihr habt mich hochgehoben durch eure Tapferkeit, Waghalsigkeit, Gehorsam und die anderen Soldatentugenden.« Das war gut! Streichle sie! Das geht runter wie Öl. Dabei verdankte er mindestens ebensoviel ihrer Verwirrung, Rivalität, Ehrgeiz, Faulheit, Frechheit … »Als Dank kann ich nur eines tun: Ich muss auch euch alle hochheben. Hiermit ziehe ich den provisorischen Status zurück und erkläre euch für immer und ewig zu einem Teil der Dendarii Söldner!«
Der Jubel, das Pfeifen und Stampfen ließen das Dock erbeben. Einige Oserer waren nur aus Neugier oder zu spät gekommen; aber Ausons ursprüngliche Besatzung war fast vollzählig vertreten. Miles entdeckte Auson, der strahlte, und Thorne, dem Tränen über die Wangen strömten.
Wieder hob er die Arme und gebot Schweigen. »Ich werde durch dringende Aufgaben auf unbestimmte Zeit abberufen. Daher bitte und befehle ich, dass ihr
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