Das kalte Schwert
oder auch nicht. Wer kann das in den grauen Orten sagen?
Allmählich hört er eine Stimme, die von den Wolken etwas herabruft, heiser vor Wut, aber zugleich irgendwie weich wie feine Wolle auf seinen Fingerspitzen.
Sieh ihn dir bloß an da unten …
Sieh ihn dir bloß an da unten …
Ein weibliche Stimme, oder vielleicht etwas, das es versteht, eine weibliche Stimme zu imitieren, mehr oder weniger, jedenfalls. Schwach, unheimlich vertraut. Sie kommt und geht mit dem Wind, scheint in jähen Böen an ihm vorbeizujagen und dann zurückzukehren. Ringil dreht sich erschöpft um die eigene Achse und versucht, sich ihr zu stellen.
… sieh ihn dir …
Die Menhire um ihn her flackern, mal existieren sie, mal wieder nicht, und sie gleichen riesigen, missgestalteten Stäben in einer Gefängniszelle für Trolle, ein kreisrundes Gefängnis, das mit ihm Schritt hält. Sie zerteilen für ihn den Sumpfhorizont in Abschnitte, bleiben für ein paar feuchte Herzschläge stehen, erheben sich solide aus dem Sumpfgras mit den Spinnweben und verschwinden dann, sobald er auf sie zuwankt. Nach einer Weile lernt er, den Effekt zu übersehen, wie man so vieles in den grauen Orten übersehen muss.
Er taumelt weiter, kommt sich bei jedem Schritt immer kränker vor.
… sieh ihn dir …
Kippende Aussicht von Grau auf Grau, Stein auf Leere, da und wieder weg, da und wieder weg …
… sieh ihn dir doch bloß …
Er sackt in sich zusammen, bleibt stehen, spürt, dass die Welt einige Schritte weitergeht, ohne ihn. Die Stimme verstummt jäh, als wäre sie interessiert daran, was er als Nächstes täte. Er atmet mehrmals ein. Der tosende Wind drückt ihm kalt gegen den Rücken. Er will ihn weiterschieben.
Er hebt beide Arme. Ruft heiser:
Ja, sieh mich an. Risgillen, nicht wahr? Komm und sieh: Ringil Eskiath, erniedrigt. Hast du das gewollt? Du kannst es nicht mehr gewollt haben als ich.
Keine Antwort. Falls Risgillen dort draußen ist, so ist ihr nicht nach plaudern zumute.
Kannst du es ihr verübeln?
Wirklich nicht.
Der Geist des Steinkreises, wie Schatten im Sonnenuntergang gemalt auf die Rückseite seiner Augen. Die flüchtigen Erinnerungen an Seethlaw – knurrende, ringende Leidenschaft, kühle Haut unter seinen Händen, der Geschmack, als der Dwenda in seinem Mund kam, wie der Saft einer salzig-süßen Beere, die auf seiner Zunge zerplatzte. Die tiefen Stöße, festklammern, als er sich an Seethlaws elfenbeinhartes Gesäß schmiegte. Die Laute, die der Dwenda bei jedem Stoß von sich gab.
Und dann der Zusammenbruch auf das taubnasse Gras, die schaudernde Erleichterung, das Gelächter am Rande des Weinens. Das Loslassen und all das, was danach kam.
Plötzlich denkt er daran, dass die Steine Dakovash draußen hielten, dass der salzige Herr auf der anderen Seite umherschleichen, jedoch nicht hindurchtreten würde. Dass er den Rabenfreund zu Ringil hineinwerfen würde wie ein Mann, der ein wildes Tier in einem Käfig, den er nicht zu betreten wagt, mit Fleisch füttert.
Versuche, das nicht wieder fallen zu lassen. Du wirst es benötigen.
Ich bin nicht dein verfluchter Handlanger.
Wie aus dem Nichts hat er ein hustendes Gelächter im Mund.
Es ist nicht viel daran, gewiss nicht viel Belustigung. Aber das Lächeln, das es auf Ringils Lippen prägt, zeigt herabgezogene Mundwinkel und ist hässlich vor Anstrengung.
Er sieht den Weg zurück, den er gekommen ist. Die niedrige Sumpfvegetation ist in einer wabernden Linie durchbrochen, wo er hindurchgegangen ist. Anscheinend hat er das Territorium der Sumpfspinnen verlassen, ohne es bemerkt zu haben.
Die Spinnweben sind verschwunden. Der Geruch des Salzes erscheint jetzt stärker.
Erneut reibt er an der Wunde, und als der Schmerz dieses Mal sengend wird, atmet er ihn ein wie ein Parfüm aus einer liebevollen Erinnerung.
Er schaut sich um und glaubt, den hellen Funken eines Feuers am grauen Horizont zu entdecken.
Einen langen Augenblick starrt er hinüber und wartet darauf, dass er wieder verschwindet, so wie andere verfluchte Dinge hier wieder verschwinden.
Als es jedoch bleibt, als es zu einem Leuchtfeuer am kalten grauen Himmel wird, knurrt er und macht sich in diese Richtung auf. Der kalte Wind in seinem Rücken treibt ihn voran.
Na gut. Was sollst du sonst jetzt tun, Gil – stehenbleiben?
Von Zeit zu Zeit flackern die Steine beim Gehen, erscheinen und verschwinden wieder. Aber jetzt ist es weniger das Gefühl eines Gefängnisses, sondern mehr das eines
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