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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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wahrscheinlich keine zweimal seit dem Tod seines Vaters den Fuß auf das Schiff gesetzt hatte, so hatte er auch keinen Befehl erteilt, es außer Dienst zu stellen oder anderweitig zu verwenden. Deswegen hatten Inventar und Ausstattung in all ihrer königlichen Pracht überdauert. In der Lounge nahm eine Bibliothek eine ganze Wand ein, zu einer Seite gab es eine speziell für Karten vorgesehene Nische, und ein Tisch, an dem ein Dutzend
Männer schmausen konnten, stand neben dem breiten Heckfenster. Verschnörkelte Astrolabien und Teleskope bewachten die Ecken des Raums, und an den Wänden hingen die Porträts ehrwürdiger historischer Gestalten aus der königlichen Ahnenreihe der Khimrans.
    Dass die Frühesten von ihnen kaum mehr als Schafdiebe und Bergräuber gewesen waren, hatten die Hofmaler stillschweigend übergangen, und deswegen trugen alle eine Art anachronistischen Reif oder eine Krone, um ihnen im Nachhinein Würde zu verleihen. Zusammen mit den brennenden Kabinenleuchtern bildeten sie einen feierlichen, schattigen Hintergrund für die Versammlung, die Archeth einberufen hatte.
    Ähnlich ernst sahen die Gesichter derjenigen aus, die rund um den Tisch ihren Blick erwiderten. Vielleicht war es die Porträtsammlung, die diese Wirkung ausübte, vielleicht bloß die Nähe zu An-Monal und allem, was die verwunschene Masse des Vulkans bedeutete. Senger Hald, der Marinekommandeur, saß grimmig und wachsam da und behielt die Tür im Blick, den Stuhl etwas vom Tisch weggerückt, als könnte er sich selbst hier nicht völlig sicher sein, dass niemand zu einem Überfall hereinplatzte. Lal Nyanar, der Fregattenkapitän, war etwas weniger offensichtlich angespannt. Aber dass er sein Schiff an den unheimlichen eisernen Kais von An-Monals verlassenem Hafen festmachen musste, beunruhigte ihn eindeutig, und seine Haltung färbte auf die anderen anwesenden Schiffsoffiziere ab. Und Hanesh Galat, berufener heiliger Hüter des Schiffs, der in etwa wusste, wie wenig er von den weltlichen Offizieren geschätzt wurde, wirkte schlicht wie auf dem Sprung und völlig durcheinander. Dagegen half auch nicht, dass die Zitadelle rasch die Doktrin verbreitet hatte, bei den Steuermännern handele es sich um dämonische Wesen, die in Eisen weggesperrt waren, damit
sie die Söhne der Offenbarung nicht in Versuchung führten oder anderweitig in die Irre leiteten.
    Nicht, dass ich, äh, dieses Dogma tatsächlich teile, hatte ihr Galat eines Nachmittags an der Reling beeilt zu versichern, während die Fregatte sich den Fluss hinauf nach An-Monal kämpfte. Natürlich ist die Offenbarung durch die Weisheit gelehrter Debatten und durch Gebete zu einer solchen Neueinschätzung gelangt. Aber ich sehe keinerlei Grund, alle Positionen einzunehmen, die das oberste Gremium vorschlägt, nur weil sie vorgeschlagen werden. Und ich, ähm, Ihr wisst, eigentlich schätze ich die Rolle, die Euer Volk bei Yhelteths Aufstieg zu seiner heiligen Bestimmung gespielt hat.
    Wie aufgeklärt Ihr seid! Archeth hatte dem Imperator versprochen, höflich zu sein. Ich werde nach unserer Rückkehr den Mantel des Schweigens darüber decken. Ihr sollt doch nicht mit Euren Oberen in Schwierigkeiten geraten.
    Er wurde rot und ließ sie danach weitestgehend in Ruhe.
    Genau das hatte sie erreichen wollen, aber jetzt fragte sie sich, ob es weise gewesen war, ihn zu verärgern. Sie bezweifelte, dass er die Absichten von Nyanar und Hald zu Fall bringen konnte, falls sie sich dazu durchrangen, sie zu unterstützen – die sogenannte überlegene moralische Autorität eines Hüters stand im Grunde auf wackligen Füßen, wenn sie mit dem unverblümten Pragmatismus der militärischen Karriereoffiziere des Imperators zusammenprallte –, aber er konnte gewiss etwas kaltes geistliches Wasser auf jegliche Begeisterung schütten, die sie in den Männern hervorrufen konnte, welche, um ehrlich zu sein, bereits ziemlich argwöhnisch auf die Wendung der Ereignisse blickten.
    »Wir sind eine kleine Streitmacht«, hob Hald hervor. »Und wir wissen wirklich nicht, womit wir es hier zu tun haben. Wäre es nicht sinnvoller, mit dieser Neuigkeit nach Yhelteth zurückzukehren
und eine vollständig ausgerüstete Expedition zu organisieren?«
    Damit hatte er recht – abgesehen von der Tatsache, dass Jhiral unter den gegenwärtigen Umständen nicht bereit wäre, eine solchermaßen ausgerüstete Streitmacht für etwas zu erübrigen, das nicht zur Sicherung der nördlichen Grenzen oder der Linien gegen die

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