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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Imperator seinen abgenagten Hähnchenschenkel auf den Teller zurück und hielt träge eine Hand hoch. Ein Sklave mit einer Serviette eilte herbei. Jhiral nahm sie entgegen und wischte sich gedankenvoll die Hände.
    »Bei diesem Treffen jetzt«, sagte er, »geht es nicht um die Expedition nach An-Kirilnar, Archeth.«
    »Ja, Mylord. Das hat man mir zu verstehen gegeben.«
    Jhiral warf die Serviette dem Hähnchenschenkel hinterher. Ließ sich zu einem Wink zu Ringil herab. »Was tut er also hier?«
    Halt bloß deinen verdammten Mund, Gil! Eilig warf sie ein: »Lord Ringil ist, äh, bekannt mit Egar Drachentöter. Sehr gut bekannt.«
    »Wie passend! Im Augenblick stehen uns die Kriegshelden offenbar bis zum Hals. Hoffen wir bloß, dass der hier sich besser
darauf versteht, wie er sich außerhalb des Kriegs zu benehmen hat, als dein drachentötender barbarischer Hausgast.« Der imperiale Blick flackerte zurück zu Ringil. »Ihr wart, vermute ich, Waffenbrüder, so was in der Art?«
    »So was in der Art«, stimmte Ringil sanft zu.
    Jhiral stand auf. »Na ja, Euer Waffenbruder steuert auf den Henkersblock zu, fürchte ich. Soll heißen, falls ich der trauernden Familie von Saril Ashant ihre Forderungen nach seinem Tod im geheimen Besprechungsraum ausreden kann. So sieht’s aus. Die Ehre des Kriegshelden bringt einem nicht viel, fürchte ich, wenn man einen anderen Kriegshelden in dessen eigenem Schlafzimmer niedergemetzelt hat. Oh, und, äh, dabei auch noch die Tugend seines guten Eheweibs in den Schmutz gezogen hat – offensichtlich. Bei einer derart gewaltigen Dummheit gibt es kein Zurück mehr. Das Todesurteil ist bereits geschrieben und unterzeichnet.«
    »Welch ein Unglück!« Eine kalte Schärfe kroch jetzt in Ringils Stimme. Archeth warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »Nicht wahr?« Der Imperator hatte ihnen den Rücken zugekehrt. Er ließ den Blick über die Speisen auf seinem Tisch schweifen und war sehr um einen Plauderton bemüht. »Drei tote Wächter, Archeth. Zwei weitere verkrüppelt, einer wahrscheinlich für immer. Und das vor einer Kneipe voller ausländischer Söldner. Das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Der Kommandant der Wache schreit nach Unterstützung durch den Palast, und Kadral Ashant brummelt überall am Hof etwas von undankbarer Führerschaft. Und das alles, weil du nicht wolltest, dass ich die Königsfänger einsetze.«
    »Tut mir leid, Mylord. Ich habe anscheinend unterschätzt, wie …«
    »Oh, Schwachsinn, Archeth!« Fäuste knallten auf den Tisch.
Unter der Wucht des Hiebs sprangen Teller hoch. Jhiral fuhr herum, das Gesicht dunkelrot, und schritt auf sie zu, als wollte er sie schlagen. »Schwachsinn! Hältst du mich wirklich für so blöde? Du hast nicht gewollt, dass er erwischt wird! Du hast geglaubt, er würde die Stadt verlassen, und du wolltest ihm einen guten Vorsprung verschaffen. Na ja, er hat die Stadt nicht verlassen, oder? Oder?«
    Drei Fuß entfernt blieb er stehen, wie von einer unsichtbaren Leine festgehalten. Funkelnd sah er sie an. Die beringten Finger der rechten Hand zuckten an seiner Seite. Offenbar musste er sich sehr zusammenreißen, nicht zuzuschlagen.
    Links neben ihr rührte sich Ringil – eine winzige, undefinierbare Änderung der Haltung, das sah Archeth aus dem Augenwinkel. Oder eigentlich spürte sie es eher. Er, und das musste sie nicht sehen, beobachtete Jhiral, beobachtete diese zuckende imperiale Hand, die darum rang, sich nicht zur Faust zu ballen. Er war davon gefangen, gefangen in jener schrecklichen, leicht belustigten Losgelöstheit, die dem stählernen Lied vorausging, dem einzigen, das der Rabenfreund zu singen verstand.
    Sie spürte, wie die Atmosphäre sich verdichtete, spürte das Gleichgewicht auf dem Balkon schwanken, spürte es kippen. Wenn Jhiral diese Faust schloss und sie hob …
    Gil würde ihn umbringen – sie wusste es ebenso deutlich, als wäre es bereits geschehen.
    Sie hob die Arme in offener Anerkennung der Schuld, und ihr linker Arm blieb nur einen Augenblick länger oben und blockte Ringil und den Weg des Rabenfreunds ab. Sie hoffte, das würde reichen, und neigte den Kopf vor ihrem Imperator.
    »Ihr habt recht, Mylord. Die Schuld liegt ganz bei mir.«
    »Das kann man wohl sagen, verdammt, Archeth.« Eine ätzende Befriedigung in Gesicht und Tonfall, hörbar und ebenso
rasch wieder versickert. Er räusperte sich und winkte vorsichtig mit der Hand, die es noch vor so kurzer Zeit danach verlangt hatte, sich zur Faust

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