Das kalte Schwert
von dem weg, was gerade aus den Schatten hinter ihm getreten war. Er wusste bloß noch von der Bewegung, dem Impuls, der ihn vorantrieb, durch sämtliche durch das Dach herabfallenden Sonnenstrahlen – die Flecken brannten auf seinen Schultern wie frisch geprägte Münzen –, durch das Wirrwarr aus Licht und Dunkelheit; er keuchte heftig, als er sich der Tür näherte, die zuschlagen musste, sobald er sie erreichte, das wusste er ganz genau. Er hörte bereits das lange, knirschende Quietschen, das sie dabei von sich gab …
Sie fiel nicht zu.
Er packte die Eichenholzkante und schob sich durch den Spalt hinaus in die Sonne. Der Rabenfreund verfing sich einen Moment lang im Spalt, er schien nicht weglaufen zu wollen, gab dann jedoch seinen wilden Verrenkungen nach und kam mit.
Er stand blinzelnd im Sonnenlicht und versuchte zu verstehen.
Uniformen und Stiefelgetrampel und Rufe die gepflasterte Straße entlang, ein halbes Dutzend Bewaffneter rannte herum und gestikulierte wild, zeigte nach oben, die behelmten Köpfe
in den Nacken gelegt – die Sonne schlug Funken von dem billigen Metall –, und da, plötzlich, zerbarst und zersplitterte etwas an einem Fenster im ersten Stock in der Fassade auf der Straße gegenüber. Glas fiel in kurzen, tödlichen Schauern nach draußen, der Fensterrahmen zerbrach und wurde losgerissen. Ringil, der bereits nach der Ursache des Lärms suchte, beschattete sich gerade rechtzeitig die Augen, um zwei Männer zu sehen, die durch das Loch fielen und immer noch, selbst mitten in der Luft, miteinander rangen. Einer war ein uniformierter Bewaffneter ohne Helm. Der andere …
Die beiden Männer plumpsten mit einem festen Schlag gegenüber dem Tempeltor auf die Straße. Staub wirbelte auf und brodelte, während sie weiterhin kämpften. Noch war etwas Kampfeslust in beiden, aber der Bewaffnete war auf dem Rücken gelandet und schien ins Hintertreffen zu geraten. Die andere Gestalt setzte sich breitbeinig auf ihn, richtete sich auf und rammte ihm etwas Langes und Dünnes fest ins Auge. Ein Schrei ertönte, und der Kampf endete jäh. Die Gestalt packte die Waffe, die sie gerade verwendet hatte, und stand taumelnd und ungeschickt auf. Der Wind erfasste den Staub und wirbelte ihn davon.
Ringil sah ungläubig hinüber.
»Eg?«
Egar, der Drachentöter, staubbedeckt und mit wilden Augen, den abgebrochenen Stiel einer verdammten Flandrijnpfeife mit einer Faust umklammert. Blut strömte aus einem Schnitt in seinem Gesicht herab …
»Gil? Ringil?«
»Macht ihn fertig!«
Ringil fuhr zu der Stimme herum, vernahm die Härte darin, den gewohnten Befehlston. Da, inmitten der sich sammelnden
Uniformen, eine schlanke Gestalt in der schwarzen und silbernen Livree der Königsfänger. Während Ringil noch hinsah, hob sich die Stimme des Mannes.
»Bogen schützen! «
Es waren drei, und davon hatten zwei den Bogen bereits gespannt und einen Pfeil aufgelegt. Auf diese Entfernung könnten sie kaum daneben schießen. Der Drachentöter kauerte sich hin und bleckte die Zähne, den Pfeifenstiel mit der Faust umklammert wie ein Messer. Er könnte vielleicht einem Pfeil ausweichen, bevor der Befehl ertönte, aber die anderen …
Ringil hob die Hand und malte das Zeichen des Ikinri ’ska in die Luft.
Ohne weiter zu überlegen – der Impuls stieg wie ein Instinkt auf, wie der erste Atemzug, wenn ein Taucher an die Oberfläche kam. Wie der Drang zu spucken oder zu essen.
»Bogen schützen! « Er stahl den Befehl aus der Stimme des anderen Mannes, pflückte ihn aus der Luft, kopierte ihn und reichte ihn zurück. »Eure Waffen sind Schlangen!«
Wie ein Schleier, der über die Sonne fiel, wie ein jäher kalter Wind, der die Kielmacherstraße entlangstrich. Selbst der Drachentöter wirkte verblüfft. Die Bogenschützen kreischten und warfen ihre Bögen weg. Ringil begab sich mitten unter sie, wie der schwarze Zorn, wie ein Schatten, der sich aus dem Schatten in den Mauern des Tempels gelöst hatte. Das Schwert hatte er nach wie vor auf dem Rücken.
»Spinnen«, sagte er und zeichnete rasch weitere Symbole in die Luft. »Schlammkriecher, Leichenfresser.«
Und plötzlich benahmen sich die Bewaffneten wie Berserker, sie stampften auf den Boden, strichen sich wie wahnsinnig über die Kleider, stöhnten und jaulten entsetzt. Nur der Offizier der Königsfänger blieb reglos und starrte ungläubig seine Männer
an, während Ringil sich durch sie hindurchbewegte und sich zehn Meter weiter mitten auf der
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