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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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ich mir ansehen.«

39
    »Meint Ihr das wirklich ernst?«
    Funkelnd schoss Jhiral von seinem verschnörkelten Sandelholzstuhl hoch, wie von einem Katapult darunter angetrieben. Durch die jähe Bewegung kippte das ganze Boot mit dem seidenen Dach zur Seite. In dem farbigen Licht, das durch die Stoffbahnen fiel, hielten sich die Leute rings umher an den Zeltpfosten fest. Das innere Heiligtum des geheimen Besprechungsraums war nicht für heftige Bewegungen gedacht.
    Ringil stand ehern und unerschütterlich da. Er nahm so wenig Notiz von dem Schwanken, als stünde er in einem Ballsaal mit Marmorboden. Er war unbewaffnet, aber das wäre dem Ausdruck in seinen Augen nicht zu entnehmen gewesen.
    »Seht Ihr mich lachen?«, fragte er ruhig.
    Archeth trat vor. »Mylord …«
    »Halt den Mund, Archeth!« Ohne sie anzusehen, zeigte der Imperator mit einem Finger auf sie. »Für dieses Jahr habe ich genug Ratschläge von dir angenommen. Ihr – ein Mann aus dem Norden –, Ihr erwartet das wirklich von mir? Vollständige Begnadigung für Euren barbarischen Freund?«
    »Ja, das erwarte ich.«
    »Eine Begnadigung – nach dem Mord an einem imperialen
Ritter in dessen eigenem Schlafzimmer und der Vergewaltigung seiner Ehefrau, dem Tod dreier städtischer Gardisten letzte Nacht, eines imperialen Bewaffneten erst an diesem Morgen. Zudem werden weitere sechs, wie man mir jetzt meldete, nie mehr ganz bei Sinnen sein.«
    Ringil rückte ungeduldig hin und her. »Ja.«
    »Meint Ihr wirklich, imperiale Gerechtigkeit lässt sich auf diese Art und Weise kaufen und verkaufen?«
    »Ich meine, die imperiale Gerechtigkeit wird sich für eine Handvoll Münzen von Eurer Lichtgestalt gerne austricksen lassen.« Scharf eingezogener Atem der Höflinge. Ringil beachtete sie nicht. »Ich meine, imperiale Gerechtigkeit ist genau das, was Ihr an jedem beliebigen Tag der Woche dafür ausgebt, und ich meine, Hof und übriger Adel werden sich dahinter scharen wie geprügelte Hunde, die sie de facto ja auch sind.«
    Anstand und Empörung ließen die Gesellschaft wie erstarrt dastehen. Taran Alman, der Befehlshaber der Königsfänger, befingerte den Knauf seines Schwerts. Noyal Rakan bemerkte die Bewegung und versteifte sich. Der Königsfänger, der Egar und Ringil hergebracht hatte, beugte sich zum Ohr seines Befehlshabers hinüber und flüsterte ihm drängend etwas zu. Alman schüttelte ungläubig kurz den Kopf, ließ jedoch den Griff seiner Waffe los und verschränkte die Arme vor der Brust. Er starrte Ringil weiterhin hart an.
    Archeth legte erschöpft eine Hand über die Augen.
    Das Wiegen des Boots mit den seidenen Zelten hörte allmählich auf.
    Merkwürdigerweise erholte sich der Imperator offenbar als Erster. Jhiral neigte würdevoll den Kopf, als berichtete ihm ein höfischer Spion gerade etwas Interessantes, und sank wieder auf seinen Stuhl zurück. Fixierte Archeth mit einem Blick.

    »Aha«, sagte er spöttisch-leutselig. »Das ist also der Mann, dem du nach wie vor die diplomatischen Beziehungen auf deiner Fahrt in den Norden anvertrauen willst. Stimmt das?«
    Archeth verzog das Gesicht und neigte den Kopf. »Ja, Mylord.«
    Jhiral sah die Gestalt vor sich brütend an. Im schwarzen Mantel, hohläugig und seit längerer Zeit unrasiert, hob Ringil sich von seiner farbenfrohen seidenen Umgebung ab wie der Tod in einem Harem.
    »Irgendwie«, sagte der Imperator schließlich, »glaube ich trotz des Zutrauens von Mylady Archeth nicht, dass Diplomatie Eure hervorstechendste Eigenschaft ist.«
    Ringil lächelte dünn. »Nein, Mylord.«
    »Aber meinen Nachforschungen zufolge seid Ihr in einer Schlacht äußerst nützlich. Ihr habt die Soldaten vom Ewigen Thron in Beksanara um Euch geschart, Ihr habt die Dwendas zurückgeschlagen. In diesem Punkt sind meine Zeugen sich einig.«
    »Ja, Mylord.«
    »Und Ihr sagt, Ihr könnt dasselbe hier tun? Einfach durch einen Mord an Pashla Menkarak?«
    Ringil schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht versprechen, dass der Tod des Hüters die Dwendas vertreiben wird. Sie sind keine vereinte Rasse, ihren Attacken auf unsere Welt mangelt es anscheinend an einem übergeordneten Plan. Und viertausend Jahre im Exil haben ihre Fähigkeiten im Umgang mit Menschen ziemlich einrosten lassen. Sie sind unsicher, arbeiten aus uralten Erinnerungen heraus und erlernen, was sie wissen müssen, erst durch die Begegnung damit. Aber so viel weiß ich genau – sie sind bei jedem Schritt auf menschliche Verbündete angewiesen. Vernichtet

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