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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Einzelheiten in dem Düster nur noch schwer erkennen.
    Er ließ es sein. Wartete ab, bis seine Augen sich wieder angepasst hatten.
    Vorn erhob sich ein langgestreckter, steinerner Altar in den Schatten wie ein Katafalk. Dahinter stand eine kunstvoll gearbeitete steinerne Zwischenwand, am oberen Rand genau wie die Luken im Dach verziert. Jedoch zogen sich über den größten Teil der Oberfläche Basrelief-Figuren. Zwischen den herabfallenden Sonnenstrahlen vom Dach suchte sich Ringil seinen Weg dort hinüber, wobei Staub und Schutt unter seinen Füßen
knirschten, und darüber war er sehr froh. Im scharfen Kontrast des strahlenden Lichts und der schattigen Düsternis war die Stille des Orts wie eine feste Gegenwart, die seine verkaterten Sinne erfüllte. Er ging wie leicht in Trance an aufgestellten Platten vorüber, die einst den zentralen Gang zum Altar gebildet hatten.
    Nachdem er angekommen war, hielt er theatralisch inne, machte auf dem Absatz kehrt und hob kreuzförmig die Arme.
    »Jemand zu Hause?«
    Die Echos seiner Stimme versandeten wie beim misslungenen Versuch, durch eine der Luken zu klettern. Er hatte eigentlich lauter rufen wollen. Es war als Witz gemeint gewesen, aber das Echo wollte die Ironie nicht tragen, und er klang wie jeder x-beliebige Mann, der seine Götter anruft.
    Alles wird sich klären, Gil. Ja, bestimmt.
    Knirschen von Schritten hinter ihm.
    Er wirbelte herum, eine Hand fuhr bereits hoch zum Rabenfreund. Augenblicklich keimte der Drang zu töten heiß in seinen Eingeweiden und den Muskeln seiner Gliedmaßen. Der alte Tanz, der das Unbestimmte aus seinem Kopf vertrieb.
    Nichts.
    Er hielt inne. Sah genau hin. Die Düsternis um den Altar war ungestört. Er war nach wie vor in die Erinnerungen an die Gärten der Königin verstrickt. An Seethlaw und die Dwendas, an schreckliches blaues Feuer, an etwas Dunkles und Gestaltloses, das ihn einholte.
    Er schüttelte den Kopf, um das alles abschütteln loszuwerden.
    Sein Blick blieb an der Steinwand mit dem Basrelief hängen. Es ähnelte stark demjenigen an der Tempelmauer in Hinerion  – wiederum eine aufgereihte Versammlung des dunklen Hofs, bewusst etwas menschlicher angelegt, um dem hiesigen
Geschmack entgegenzukommen. Nur dass es diesmal Hoiran selbst war, der in den Reihen fehlte, und die Lücke, die er in Hinerion gesehen hatte, war ausgefüllt mit …
    Ausgefüllt mit …
    Jäh war ihm wieder schwindelig. Er spürte den Boden unter sich nachgeben.
    Das fehlende Mitglied des dunklen Hofs in Hinerion war Lady Kwelgrish gewesen – Kwelgrish, die Fee der Dämmerung, das dunkle Ächzen am Abend, die Herrin der Wölfe. Kwelgrish, die Häute von Frauen und wilden Tieren mit gleicher Souveränität trug, die eine uralte Wunde am Kopf hatte, welche nicht ausheilte, und die gerne ätzende Bemerkungen mit Dämonen austauschte, bevor sie diese in einen kreischenden, knurrenden Zweikampf verwickelte. Kwelgrish, die hier, im Tempel der Roten Freude, als Basrelief inmitten ihrer Mitgötter stand und mit einer Hand ein Tuch gegen ihren blutenden Schädel drückte, die andere Schulter bedeckt von einem Wolfsfell, vollständig mit Kopf und Schnauze, sodass es aussah, als hinge die Kreatur von ihr herab, bisse sie aber gleichzeitig.
    Sagen wir nur, dass du mir einen Gefallen schuldig bist, Ringil Eskiath.
    Die Stimme brodelte in seinem Kopf, flüsterte an seinem Ohr, fuhr sein Rückgrat entlang. Quilien von Gris umkreiste mit glänzenden, schimmernden Wolfsaugen irgendwo in der Düsternis hinter der steinernen Zwischenwand ihn und den Altar, vor dem er stand …
    Rufe von der Straße.
    Kurz warf er durch den steinernen Gang einen Blick zurück dorthin, wo er eingetreten war. Bei dem jähen Perspektivwechsel schien seine Sicht zu kippen, als stünde er in einem Boot auf kabbeligem Wasser. Sonnenlicht fiel durch die gewaltsam aufgedrückte
Tür und bildete eine Pfütze fern auf dem staubigen Boden, und plötzlich erschien der Weg aus dem Tempel heraus sehr, sehr weit.
    Ja – lauf, sagte eine andere, tiefere Stimme, nicht die von Quilien. Lauf, solange du noch kannst. Denke daran, wer du bist. Wer du warst. Wer du sein wirst.
    Weitere Schritte im Staub und Schutt hinter ihm, und er rannte tatsächlich, er sprintete das Tempelschiff hinab wie zu den Toren einer plötzlich angebotenen Erlösung, die dabei waren, sich zu schließen.
    Im Nachhinein wäre er außerstande gewesen, ehrlich zu sagen, ob er zu dem Aufruhr auf der Straße draußen hinrannte oder

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