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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Schlingen und Ausbuchtungen von Angfals massigem Leib, der an der Wand ihres Arbeitszimmers hing. Winzige Glaslinsen, klein wie ein Daumenabdruck, brannten grün und gelb auf dem gesamten Gehäuse des Steuermanns wie ein Wald voller nicht zueinander passender Augen und beobachteten sie in der Düsternis. Die entfernt an eine Spinne erinnernde Ansammlung aus zusammengeklammerten Elementen und einer aufgeblähten Masse knapp unter der Decke in der Mitte der Mauer regte sich niemals – sie war mit kiriathischen Nieten befestigt –, erweckte jedoch beständig den Eindruck, gleich losspringen oder bloß ungeschickt auf sie herabfallen zu wollen. Es war etwas Waghalsiges, Chaotisches daran, wie die Ingenieure Angfal angebracht hatten, und das passte genau zu dem Chaos aus Papieren, Büchern und sonstigem Zeug, das überall im Arbeitszimmer verstreut war. Der Steuermann dominierte den Raum. Seine Stimme hätte überall aus dem missgestalteten Leib kommen können, oder auch aus jeder schattigen Ecke des Raums.
    »Du wählst einen interessanten Zeitpunkt, mir von diesen Angelegenheiten zu berichten, Tochter des Flaradnam. Was genau hat dich so lange daran gehindert?«

    Wie Manathan benutzte Angfal beim Sprechen Wendungen, die an einen freundlichen Irren im Gespräch mit einem Kind erinnerten, das er jeden Augenblick entweder mit einer Münze beschenken oder einfach töten und auffressen würde. Schwer, sehr viel Menschliches aus seinem Tonfall herauszuhören. Aber in Archeths langgeübtem Ohr klang der Steuermann wirklich zutiefst besorgt.
    »Ich hatte zu tun«, erwiderte sie.
    »Anscheinend.«
    Sie wehrte sich dagegen, in die Defensive zu geraten. »Im Augenblick sind die Dinge … schwierig.«
    »Da bin ich mir allerdings sicher. Krinzanz ist eine heimtückische Droge.«
    »Davon spreche ich nicht! Ich bin bei Hofe gewesen …«
    »Bemerkenswert an sich schon, ja. Gut gemacht. Dennoch, Tochter des Flaradnam, du hättest früher damit zu mir kommen sollen.«
    »Ich habe einen eigenen Namen, weißt du.«
    Selbst in ihren eigenen Ohren klang das kindisch-trotzig. Aber sie war fix und fertig, launisch und müde und hatte sich gerade von Ringil und dessen Gesellschaft am Fluss verabschiedet, voller Zweifel und ungerichteter Wut. Jetzt hockte sie hinter dem Schreibtisch, sah funkelnd zu Angfals undurchschaubaren, von Linsen übersäten Windungen hinauf und verfluchte die Sturheit, die sie daran hinderte, die Krinzanztinktur in ihrer Vorratskammer zu plündern. Das Verlangen nach der Droge nagte an ihren Nerven wie winzige Ratten.
    »Bist du denn so scharf darauf, jegliche Verbindung zum Volk deines Vaters abzuwerfen?«
    »Sie haben mich weggeworfen, oder?« Sie trat gereizt nach dem Bücherstapel auf der Ecke des Schreibtischs und verschaffte
sich Platz für die Beine. Ein paar der Wälzer fielen zu Boden. »Wie viele verdammte Kiriath siehst du hier drin?«
    »Ich sehe einen halben. Mit schlechtem Benehmen.«
    »Ja, schon gut.« Sie untersuchte den rechten Daumennagel, den sie bis aufs Nagelbett heruntergekaut hatte. Sie konnte sich nicht daran erinnern. »Ich tu zumindest was. Wir können nicht alle weise auf der Mauer hocken, unseren ironischen Verstand schärfen und die Welt vor die Hunde gehen lassen. Oder?«
    »Ich glaube, du hast gerade die Mission akzeptiert, die das Volk deines Vaters ihr Eigen nannte.«
    »Und im Stich gelassen.«
    »Trotzdem …«
    »Verwende einfach meinen verdammten Namen, ja?« Sie sprang vom Stuhl auf, stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und funkelte zu ihm hinauf. »Ist das zu viel verlangt? Um mehr bitte ich dich nicht, Angfal! Lass diesen ganzen Scheiß mit Tochter des einfach sein. Du meinst, dass mein Vater Flaradnam, der Weise, war, spielt bei allen gegenwärtigen und zukünftigen Ereignissen eine verdammte Rolle? Du meinst, ich möchte jedes verdammte Mal, wenn ich hier reinkomme, daran erinnert werden, dass, dass …«
    Sie blinzelte rasch. Starrte auf ihre Hände hinab.
    Nach einem Augenblick setzte sie sich wieder.
    »Verwende einfach meinen Namen«, sagte sie ruhig. »In Ordnung?«
    Es folgte eine lange Pause.
    »Damit hättest du früher zu mir kommen sollen, Archeth Indamaninarmal.«
    Sie hustete ein Gelächter heraus. »Ja, schon gut. Kapiert. Aber ich hatte gedacht, du hättest es gewusst. Hättest dich – ich weiß nicht – bei den gegenwärtigen Ereignissen auf dem Laufenden
gehalten oder so. Manathan weiß anscheinend alles, was in An-Monal vor sich

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