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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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mühsam ein Husten. Dort unten kochten sie etwas ziemlich Fürchterliches.
    Jetzt schotteten die Zitadelle und der Felsen, auf dem sie stand, den Himmel vor ihnen ab. Sie übersprangen eine letzte Gasse, die etwas breiter als die übrigen war, sodass diesmal ein Satz von fünf Fuß erforderlich war, und landeten auf einem flach ansteigenden Dach, das sich gegen den aufragenden Felsen kauerte. Tief geduckt erstiegen sie es. Der Königsfänger hob die geballte Faust. Gil blieb stehen und spähte voraus. Zwischen dem Dach oben und dem Ausläufer des Felsens lag ein letzter, tückischer Spalt von drei Fuß Breite. Der Königsfänger kauerte sich an die Dachkante und kam wieder zu Atem. Er nickte zu einer Stelle hinüber, wo etliche knorrige Büsche dem Fels entwuchsen.
    »Ihr springt da rüber«, sagte er leise. »Packt die Büsche. Sie sollten halten …«
    »Sollten? Verdammt, sollten?«
    Was ihm ein kurzes, unwillkürliches Grinsen einbrachte. Der Königsfänger beugte sich etwas näher heran, hob die Finger und legte sie ihm auf die Lippen.
    »Werden halten«, gab er zu. »Hab’s selbst ein paar Mal gemacht. Darüber liegt ein Hang, voller Staub und Geröll, und er ist steil, aber Ihr könnt so gerade eben darauf stehen. Die ersten Stellen zum Festhalten liegen direkt über Euch. Und rauf geht’s!«

    Ringil legte den Kopf in den Nacken und betrachtete genau den düsteren, nur vom Bandlicht erhellten Felsen, der sich knapp unterhalb der Brustwehr über ihnen vorwölbte. So etwa hundert Fuß hoch. Größtenteils flach, zum Gipfel hin schwieriger. Er öffnete und schloss mehrmals die Hände.
    »Ihr habt Euer Signal?«, fragte ihn der Königsfänger.
    Er nickte. Berührte seinen Gürtel, wo das kiriathische Leuchtfeuer befestigt war.
    »Ihr wisst, wie Ihr es benutzen müsst?«
    »Vergess ich nie mehr.« Archeth hatte ihm ein Dutzend Mal oder öfter eingetrichtert, wie man das Ding zum Leben erweckte, und seine Proteste überhört, er habe oft genug im Krieg gesehen, wie Grashgal und Flaradnam es benutzten. »Seid einfach wachsam.«
    »Ja, wir halten die Augen offen.« Der Königsfänger vollführte ein spezielles Zeichen mit der Hand auf Brusthöhe. Erst später begriff Ringil, dass es der Salut eines Pferdestamms war. »Also gut. Wenn Ihr bereit seid.«
    Ringil trat einige Fuß auf dem Dach zurück, nahm Anlauf und sprang. Ein kurzer Flug, der schwarze Spalt gähnte unter ihm, und dann umfingen ihn die Büsche mit ihrer rauen Umarmung. Die Äste peitschten ihm ins Gesicht, und er kniff fest die Augen zu, um sie zu schützen …
    Zupacken!
    Er schloss die Hände, bekam dünne Zweige zu fassen und geriet ins Rutschen. Packte erneut zu, ergriff jetzt einen ausreichend großen Ast, setzte die Füße auf, spürte, wie ein Fuß unter ihm wegglitt, packte wiederum zu, bekam einen zweiten Ast in die Hand, die Füße fanden erneut Halt …
    Er zog sich heran.
    Einen Moment lang hing er keuchend da. Kletterte um die
Büsche herum zum Hang, den der Königsfänger erwähnt hatte. Entdeckte, dass steil etwas untertrieben war.
    Er warf einen vorwurfsvollen Blick dorthin, wo der andere Mann auf dem Dach kauerte und ihn beobachtete, aber wegen der Entfernung und der Dunkelheit war es unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Er gab es auf, fand den ersten Halt, schwang sich hoch und machte sich an den Aufstieg.
     
    Zunächst ging es ziemlich einfach. Wind und Regen hatten auf dem Marsch der Jahrhunderte groteske Höhlungen, Falten und Kanten in dem Felsen geformt. Es gab Stellen, wo er sich mit den Armen festhalten und die Hände ausruhen konnte, ein-oder zweimal sogar Stellen, wo er tatsächlich auf den Stiefelspitzen stehen, die verschwitzte Stirn gegen den kühlenden Fels drücken und die schmerzenden Arme an der Seite baumeln lassen konnte. Kleines, drahtiges Buschwerk wuchs aus Felsspalten und bot ihm zusätzlich Halt. Eine Vertiefung, groß wie eine Schüssel, tauchte auf, und er war imstande, den ganzen Arm bis zum Ellbogen hineinzuschieben – eine Weile lang lehnte er munter dort, einen Stiefel in eine Spalte darunter gerammt, der andere frei schwingend. Er spähte an seinen Zehen vorbei und sah, wie weit er gekommen war.
    Kinderspiel. Ein netter kleiner Aufstieg.
    In seiner Jugendzeit war er an der überladenen Architektur der Adelshäuser von Trelayne und der verfallenden Lagerhallenviertel herumgeklettert, oft mit hartgesottenen Typen vom Hafen und fluchend verfolgt von der Stadtwache, oft auch nicht. Im

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