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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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seinem Ziel zuwendet. Er bleibt stehen, zögert mit dem Weitergehen bei mehr als einer Gelegenheit. Was beschreibe ich gerade, Archeth?«
    Sie blieb stehen, das Gesicht zur Tür gerichtet.

    »Ich weiß es nicht. Einen verdammten Irren, wie es klingt. Das ist kein …«
    »Und wenn ich dir sage, dass der Mann das Feld von Tarkaman überquert?«
    »Das Labyrinth?« Widerwillig sah sie sich zu der Masse des Steuermanns an der Wand um. »Er ist im Labyrinth von Sabal?«
    »Ergibt die Vorgehensweise dieses Mannes jetzt mehr Sinn?«
    »Ja – und wenn du mir von Anfang an gesagt hättest, dass es um das Labyrinth geht, wäre es hilfreich gewesen.«
    »Nicht alle Labyrinthe sind leicht zu erkennen, Archeth. Nicht alle Beschränkungen sind für den Beobachter erkennbar.«
    Wiederum dieses flaue Gefühl im Magen. Sie ließ sich auf einer geeigneten Truhe nieder. Stellte die Lampe vorsichtig auf den Boden an eine Stelle, die nicht mit Büchern oder Papyrusrollen übersät war.
    Schweigen. Die Linsen leuchteten ihr entgegen.
    »Na ja, wer – was beschränkt dich?« Kopfschüttelnd. »Nein, schon gut. Muss eine Sackgasse sein.«
    Glitzern von Linsen. Waberndes Lampenlicht auf schwarzem Eisen.
    »Wenn du Anasharal daran hinderst, diesem Gespräch zuzuhören, dann befindet ihr beide euch in einem Konflikt.« Langsam suchte sie sich ihren Weg zum Sinn des Ganzen. »Aber Manathan hat mich dort hinausgeschickt, um Anasharal zu holen. Befindest du dich also auch im Konflikt mit Manathan?«
    »Manathan handelt im besten Interesse der kiriathischen Mission« , erwiderte Angfal, als gäbe er nur widerwillig Auskunft. »Immer. Er hätte dich nicht woandershin geschickt.«
    »Und du?«
    Die Linsen durchfuhr ein Flackern, gelb zu grün und wieder zurück. »Grashgal hat mich instruiert, über dich zu wachen,
Archeth Indamaninarmal. Wie du wohl weißt. Dir beizustehen, so gut ich kann.«
    »Selbst wenn das im Widerspruch zur viel gerühmten kiriathischen Mission steht?«
    »Das ist nie der Fall gewesen. Man ging davon aus, dass das auch nie vorkäme.«
    »Und jetzt doch?«
    »Das muss sich noch zeigen. Die hinterlassenen Anweisungen waren notgedrungen zwiespältig. Nichts lässt sich lösen, widersprüchliche Vermutungen sind erforderlich. Meine Anweisungen hinsichtlich deiner Sicherheit sind jedoch eindeutig. Grashgal hat mir die Aufgabe in feststehenden Ausdrücken erteilt.«
    Archeth überlegte. Suchte nach den unsichtbaren Formen in den labyrinthischen Mustern der Rede des Steuermanns, als betastete sie eine Steinmetzarbeit in der Dunkelheit. Sie konnte das Detail nicht erkennen, wusste bloß von seinem Vorhandensein.
    »Warnst du mich davor, nach An-Kirilnar zu gehen?«, fragte sie.
    »Nein.« Widerstrebend. »Du wirst dort ebenso sicher sein wie hier in Yhelteth.«
    Überrascht schaute sie auf. »Soll ich mich jetzt besser fühlen?«
    »Es soll dir helfen, eine Entscheidung zu treffen.«
    Eine Erinnerung rutschte an ihren Platz, wie eine Klinge, die in ihre Scheide zurückglitt. Sie zupfte vorsichtig daran. Drehte sie herum wie ein halb vertrautes Kunstwerk, das sie aus dem Schutt und der Asche der Kiriath hervorgeholt hatte.
    »Anasharal sagt …« Sie räusperte sich. »Dass etwas Dunkles auf dem Weg sei.«

    »Ja«, stimmte der Steuermann zu. »Oder vielleicht bereits hier ist.«
     
    Später ruhte sie, gestützt auf ihre Kissen, in ihrem Bett, ohne Krinzanz im Blut, und die Sorgen und Mühen des Tages lagen auf ihr wie der gesättigte Leib einer Geliebten. Die Lampe an ihrem Bett warf flackernde Schatten ins Zimmer, genau wie die im Arbeitszimmer, während Angfal gesprochen hatte – es war, als hätte sie die Schatten selbst mit sich ins Bett genommen. Mit leerem Blick sah sie auf die Bewegungen, aber sie brachte nicht die Kraft auf, das Licht zu löschen und einzuschlafen.
    Keine Lösung mithilfe des Steuermanns. Angfal wollte ihr die Expedition nach An-Kirilnar nicht empfehlen, wollte ihr jedoch auch nicht davon abraten. Sie wälzte das Gespräch in ihren Gedanken herum, horchte auf Hinweise, versuchte herauszubekommen, worin die Beschränkungen des Steuermanns bestehen mochten, denen er angeblich unterlag. Sinnlos. Beim Verlassen des Arbeitszimmers war sie nicht schlauer als beim Eintritt gewesen, bloß wesentlich aufgewühlter. Und dazu kam jetzt noch dieses vage Gefühl von Schutzlosigkeit, vom Rückzug behütender Mächte, eines Schilds, auf den sie sich stets verlassen hatte und der jetzt nicht mehr vorhanden

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