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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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Du verlässt dich in letzter Zeit ziemlich heftig auf dein Glück.
    Unter seiner schweren Last verzog er das Gesicht in der Dunkelheit.
    Komm schon, Dakovash. Ich nehm’ alles zurück. Ich gehorche wie ein Hündchen.
    Kwelgrish. Du hast mich wegen etwas vor der Pest bewahrt, nicht?
Sprich mit Lady Firfirdar, ja? Bring das Weibsstück dazu, mir etwas vom Glück des schwarzen Attentäters zuzupusten.
    Wozu sind Götter schließlich da?
    Er erreichte den Garten, ohne jemandem zu begegnen, ob mit oder ohne die Hilfe des dunklen Hofs, ließ sich nur schwer beurteilen. Schritt durch die nach Äpfeln duftende Luft und ließ den Leichnam des Hüters unzeremoniell hinter einen Baum in der Nähe der rückwärtigen Mauer fallen. Er lehnte ihn aufrecht an den Stamm, abgewandt vom Haupteingang des Innenhofs. Stützte sich einen Augenblick lang über dem Kopf des Toten gegen den Baum und kam so wieder etwas zu Atem. Mit einem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn, überprüfte seinen Mantel auf Blut – jede Menge – und verdrehte die Augen. Na prächtig – und wir haben nicht mal den Flügel der oberen Hüter erreicht. Er atmete tief aus, tippte mit einem Finger an die Schläfe als Gruß an den toten Mann und ging.
    Auf dem Weg nach draußen entdeckte er eine Eule, die ihn von einem Ast in einem der anderen Bäume beobachtete. Sie sagte nichts und erhob sich auch nicht schwer mit den Flügeln schlagend in den Himmel, sein Glück in den Krallen. Eigentlich tat sie gar nichts, außer kryptisch auf ihn herabzublinzeln und das Gefieder aufzupumpen.
    Das ist so, weil sie bloß ’ne verfluchte Eule ist, Gil. Kein Omen oder Seelengeleiter oder vertrauter Dämon von jenseits des Bands.
    Jetzt reiß dich mal wieder zusammen, ja, und bring diese Sache hinter dich!
    Er schlüpfte aus dem Garten und huschte dann wieder die dunklen Korridore entlang.
     
    Irgendwo unterwegs erwachte das Ikinri ’ska.
    Vielleicht hatte er es beschworen, vielleicht hatte es schlicht
das Gefühl gehabt, es sei an der Zeit. Hjel hatte ihm gesagt – irgendwo, irgendwann draußen im Sumpf –, dass es immer weniger ein Werkzeug wurde, je tiefer man in die Kunst vordrang, und man selbst immer mehr zum Tor und Kanal für seine Kraft. Am Ende, hatte er gesagt, bist du schlicht damit verheiratet. Du weißt nicht mehr, wo es aufhört und du beginnst.
    Jetzt spürte er es an den Fingerspitzen durch sich hindurchtropfen, aus Herz und Lungen herausströmen, hinter seinen Augen tanzen, und Hjels Warnung nahm eine schaurige Bedeutung an, die er zuvor nicht recht ernst genommen hatte. Jetzt war es ein eisiges Sirenenlied an den Rändern seines Willens, das in seinem Blut gesungen wurde. Es war ein aufgeregtes schwarzes Geplapper an seinen Nerven entlang, wie zu viel Krinzanz eine Stunde vor der Dämmerung.
    Es war, um ehrlich zu sein, in Zeiten wie diesen nicht unbedingt ein idealer Gefährte.
    Aber es war in ihm manifest, als er in einen weiteren Innenhof hinaustrat, der diesmal von warmem Fackelschein erhellt war, und sogleich von einem Bewaffneten auf einer erhöhten Mauer entdeckt wurde.
    Ihre Blicke trafen sich. Der Mann auf der Mauer wich von dort zurück, wo er gelehnt hatte, und griff nach seinem Kurzschwert. Den Aufschrei in seiner Kehle, halb geformt …
    Ringil warf den rechten Arm hoch, als könnte er dem Mann tatsächlich in den Mund greifen und den Laut herausreißen. Er vollführte die zuckende, schließende Geste sei still! mit der Hand, und der Schrei wurde abgewürgt, bevor er laut werden konnte. Der Bewaffnete kippte hustend vornüber. Ringil wechselte die Haltung, atmete die zitternde Spannung ein, schüttelte die Finger der erhobenen rechten Hand und schrieb die Schleier- Geste in die Luft.

    Du siehst mich nicht.
    Sie fuhren aus ihm heraus wie das Rasseln einer Klapperschlange: Silben in Alt-Myrlisch, in denen seine eigene Stimme kaum zu erkennen war. Er verblasste in dem Dämmerlicht.
    »Was ist denn mit dir los, Darash?« Ein weiterer Bewaffneter, der gähnend von der anderen Seite des Gangs heranschlenderte. »Hast dich mal wieder mit gestohlenem Hähnchen vollgestopft, was!«
    Der erste Mann unterdrückte mühsam seinen Hustenanfall. Aus den Schatten unten in der Ecke des Innenhofs konnte Ringil erkennen, wie er die Stirn runzelte.
    »Nein, Kumpel. Hab bloß gedacht, ich hätte gesehen …«
    »Was gesehen?« Der zweite Mann spähte auf den Platz hinab, der vom Fackelschein erhellt war, und zuckte die Achseln. »Nichts da

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