Das kalte Schwert
unten, Kumpel.«
»Ja.« Darash schüttelte den Kopf. »Trotzdem ’ne verdammt unheimliche Sache …«
Inzwischen war Ringil allerdings schon verschwunden. Unsichtbar über den Innenhof und hinauf in die oberen Gänge zum Flügel der Oberen. Fackelschein prallte flackernd von ihm ab, schien ihn sogar zu scheuen, während er dahinging.
Sobald er einmal die oberen Ebenen des östlichen Bergfrieds erreicht hatte, lösten sich die Anweisungen der Königsfänger in Vermutungen und Theorien auf. Sie hatten eine Ahnung, wo Menkarak wohnen sollte, wenn man seine Abstammung und seinen kürzlichen Aufstieg innerhalb der Hierarchie berücksichtigte. Es gab Gerüchte und Berichte, welche die Möglichkeiten weiter einschränkten, die jedoch alles andere als zuverlässig waren. Sie hatten die Information, dass er gern jeden Morgen die aufgehende Sonne auf seinem Balkon begrüßte, es gab Klatsch und Tratsch, dass es eine größere Auseinandersetzung mit einem
anderen, moderateren hochrangigen Hüter gegeben hatte, der später, so ging die Geschichte, bei der Mahlzeit an einem Stück Knorpel erstickt war, und Menkarak erhielt dessen ausgedehnte Räumlichkeiten. Sie hatten Grund zu der Annahme, dass seine Räumlichkeiten relativ bescheiden eingerichtet waren und dass er den größten Teil des Luxus scheute, der Priestern seines Rangs zustand.
So was in der Art.
Wie man es auch drehte und wendete, es kam ein Dutzend Gemächer in Frage.
Er stakste durch die Dunkelheit auf der Suche nach Licht. Schließlich entdeckte er einen weiteren Hüter, einen agilen, weißhaarigen alten Mann in edler Robe, der in einem Studierzimmer, das schwach von Kerzen erleuchtet wurde, über Papierrollen brütete. Ringil beobachtete ihn eine Weile lang durch ein Fenster draußen im Gang. Als er sich dann sicher war, dass der Mann allein arbeitete, hob er den Riegel und trat lautlos ein.
Der Hüter schaute nicht von seinen Papierrollen und der Tinte auf.
»Wenn das wieder ein Strafbefehl wegen Häresie ist, Naksen«, sagte er milde, und nach wie vor kratzte die Feder über das Pergament, »dann wird er bis morgen warten müssen. Das habe ich dir bereits gesagt. Wobei hinzukommt …« Ein penibel durchgestrichener und mit Punkt versehener Buchstabe. »… dass ich seiner Ehrwürden bereits gesagt habe, dass wir in der Stadt alle Hände voll zu tun haben. Wir besitzen einfach nicht die nötige Zahl an Männern, um …«
Der Drachenzahndolch glitt unter sein Kinn. Eine Hand drückte sich gegen seinen Hinterkopf.
»Kein weiterer Strafbefehl wegen Häresie«, erklärte ihm Ringil.
Der Hüter erstarrte. »Was willst du?«
»Ah, gut! Ich suche Pashla Menkarak. Wo liegt seine Wohnung?«
Der alte Mann versuchte, sich umzudrehen. In der Bewegung lag eine überraschende, drahtige Kraft. Ringil tauschte den Dolch an der Kehle des Hüters gegen seinen Unterarm und zog fester.
»Ich an deiner Stelle würde das nicht tun.«
»Hund!« Herausgefaucht, trotz des Würgegriffs. »Also ist es mal wieder so weit! Wieder einmal schickt der Palast seine speichelleckenden Ungläubigen gegen unseren heiligsten Mann aus!«
»So was in der Art«, pflichtete Ringil bei. »Du wirst mir jetzt sagen, wo ich Menkarak finden kann. Oder willst du sterben?«
Er lockerte hoffnungsvoll den Griff. Der Hüter legte die knorrigen Hände flach auf den mit Papieren übersäten Tisch. Gil erhaschte ein paar Zeilen des halb vollendeten Dokuments: Wegen des Verbrechens der lasziven Verführung und des Austragens eines nicht von der Offenbarung gesegneten Kindes wird die Angeklagte zum … Er spürte, wie sich das Rückgrat des Mannes versteifte.
»Höre mich an, du Abschaum! Ich würde lieber sterben, als meine Brüder im Glauben zu verraten. Ich werde mit einem fröhlichen Schrei zu meinem Gott eingehen …«
»Du wirst an deinem eigenen Blut ersticken. Willst du das? Wo ist Menkarak?«
»Kehre zu dem Imperator zurück, Speichellecker!« Ein höhnisches Grinsen lag in der Stimme des alten Mannes, und dahinter baute sich eine angespannte Hysterie auf. Keinerlei Anzeichen von Furcht. »Kehre zurück, Ungläubiger, und richte dem verdorbenen Abtrünnigen aus, dass er die halbe Welt beherrschen, dass er jedoch nicht über unsere Seelen verfügen kann.
Demlarashan ist erst der Anfang. Wir haben jetzt Engel auf unserer Seite, und wir fegen …«
Seufzend schnitt ihm Ringil die Kehle durch. Blut spritzte über sämtliche Strafbefehle, die der Mann verfasst hatte. Er hielt den Kopf
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