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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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und Stelle liegen, ging hinab und mischte sich unter die Sklaventrecks, die sie besessen hatte. Rings umher waren die Söldner mit Bolzenschneidern und sehr wenig Elan dabei, die Sklaven zu befreien und ihnen altbackenes Brot vor die Füße zu werfen. Niemand, an dem er vorüberkam, wollte ihm in die Augen sehen.
    Es kann gut sein, dass die Männer unter deinem Kommando dich hassen, hatte er einmal in einem Traktat über moderne Kriegführung geschrieben, der nie veröffentlicht worden war. Und wer kann es ihnen übelnehmen? Sie sehen, wie du feinen Wein schlürfst und gutes Fleisch isst, während sie sich von Haferschleim ernähren. Sie schlafen unter Leinen und du unter Seide. Sie müssen sich mit einem rostigen gebrauchten Kettenhemd zufriedengeben, während du in einer Rüstung glänzt, die speziell für dich gefertigt wurde. Und wo es gegen bekannte und menschliche Feinde in die Schlacht geht, wissen sie, dass du im Falle einer Gefangennahme wahrscheinlich von edlen Kommandanten der Gegenseite gefeiert und sicher nach Hause gebracht wirst, während sie ebenso wahrscheinlich gefoltert, verstümmelt oder getötet werden.
    Wer würde ohne die sorgfältige Hege und Pflege eines illusorischen Stammesstolzes oder das Versprechen von Vergewaltigung und Plünderung unter solchen Umständen seinen Kommandeur nicht hassen?

    Natürlich war das schuppige Volk gekommen, sodass vieles anders geworden war. Es machte keine Unterschiede – einfache Soldaten oder edles Fleisch, es schmeckte ihm anscheinend alles so ziemlich gleich gut. Wenn sie über Bratgruben und geschwärzte menschliche Knochen stolperten, die die Echsen gewöhnlich in ihren Lagern zurückließen, erwarben die Soldaten der Liga eine jähes, eisiges Verständnis ihrer gemeinsamen Menschlichkeit und wogegen sie stand. Sie kämpften nicht mehr länger darum, irgendwo sinnlos eine Flagge aufzupflanzen, diese oder jene Kränkung der Ehre in den endlosen Unterhandlungen der verschiedenen Adelsfamilien und Stadtväter zu rächen, die jedes verdammte Ding in Sichtweite ihr eigen nannten.
    Sie kämpfte darum, nicht gefressen zu werden.
    Die saubere, kalte Klarheit dieses Umstands überspülte den jungen Ringil Eskiath – damals ein Verbindungsoffizier zu Trelaynes majakischen Söldnereinheiten, eine Sinekure – wie ein Bad unter den Wasserfällen von Treligal. Wo andere Männer, andere Kommandeure der Adelsfamilien der Liga voller Entsetzen vor der Veränderung zurückwichen, schloss Ringil sie in die Arme wie den muskulösen Rumpf eines unerwarteten Geliebten aus den finsteren Gassen.
    Das trug ihn durch den Krieg. Es schickte ihn hinauf gegen die Echsen an der Galgenschlucht, in voller Erwartung des Todes, und es machte ihn stattdessen zum Helden.
    Und dann, in dem Morgenlicht ihres Siegs über das schuppige Volk – ihnen war übel, und sie waren völlig verkatert – schmolz das Versprechen einer Veränderung und war verschwunden, wie über die Jahre hinweg so viele dieser muskulösen Seitengassen-Geliebten.
    Damals hatte er eine Weile gebraucht, bis er verstanden hatte, was geschehen war. Er war noch immer jung gewesen, er hatte
wirklich an die Veränderung geglaubt. Aber als die Normen wieder ihren ursprünglichen Platz einnahmen oder zumindest beschissen nahe herankamen, geriet ihm sein fortwährender Glaube allmählich in die Quere und hätte ihn später beinahe umgebracht. Das hatte ihn näher an den Tod gebracht, als es dem schuppigen Volk je gelungen war – am Ende hatte es Archeths Intervention bedurft, ihn zu retten, ihn wachzurütteln für die Tatsache, dass er die Menschheit vor den Echsen gerettet hatte, sodass besagte Menschheit sich gleich wieder in eben jener Grube der Ignoranz und Unterdrückung suhlen konnte, in der ihr zuvor anscheinend schon so wohl gewesen war.
    Er war weggegangen.
    Weg von den Ehrungen und Angeboten, weg von der zusammenkrachenden Einheit zwischen Liga und Reich, weg von den Tausenden kleinkarierten Zänkereien und Landnahmen, zu denen der Krieg verkommen war. Er spuckte aus, was er von dem schmecken konnte, das der Krieg in seiner Kehle hinterlassen hatte, und er setzte sich nieder und schrieb seinen Traktat, eine sinnlose Übung unter so vielen anderen.
    Dann halt Hass. Da er wieder so verdammt populär ist.
    Aber Hass, erinnerte er sein mögliches Publikum aus jungen, aufstrebenden adeligen Kommandeuren, ist eine merkwürdige Emotion, oft der Liebe ähnlich. In der Tat erinnerte er an Liebe so sehr, wie dein

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