Das Karpatenschloß
würde.
Selbst angenommen, daß den ersten beiden kein Unglück
zugestoßen war, konnte man auf die Rückkehr des Meister
Koltz und seiner beiden Begleiter nicht eher rechnen, als bis
die Nacht die benachbarten Höhen mit ihrem schwarzen
Mantel bedeckte.
Wie groß war daher das Erstaunen, als jene gegen 2 Uhr
nachmittags weit draußen auf der Landstraße zum Vor-
schein kamen. Mit welch freudiger Hast eilte die davon so-
fort benachrichtigte Miriota den Männern entgegen!
Es waren aber nicht drei, sondern vier, und ein Fünfter
befand sich offenbar unter der Pflege des Doktors.
»Nic, mein armer Nic!« rief das junge Mädchen klagend.
»Ist denn Nic nicht da?«
Ja, Nic war allerdings da, er lag aber auf einer Bahre aus
Baumzweigen, die Jonas und der Schäfer vorsichtig trugen.
Miriota stürzte auf ihren Verlobten zu, sie neigte sich
über ihn und schloß ihn innig in die Arme.
»Er ist tot«, jammerte sie, »er ist tot!«
»Nein, tot ist er nicht«, erwiderte der Doktor Patak,
»doch er verdiente es zu sein, und ich mit ihm!«
In Wahrheit hatte der junge Förster nur das Bewußtsein
verloren. Seine starren Glieder, das blasse Gesicht und die
vom Atmen sich kaum hebende Brust ließen den Zustand
vielleicht schlimmer erscheinen, als er in der Tat war. Das
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Gesicht des Doktors dagegen war nicht so entfärbt wie das
seines Gefährten – doch das kam nur daher, daß der Weg
nach Hause ihm wieder den gewöhnlichen backsteinroten
Teint verliehen hatte.
Die zärtliche, herzzerreißende Stimme Miriotas ver-
mochte Nic Deck doch nicht aus der Starrsucht, in der er
lag, zu wecken. Als er ins Dorf zurück und schon zum Haus
von Meister Koltz gebracht worden war, hatte er noch kein
Wort gesprochen, doch als er nur undeutlich bemerkte, daß
das junge Mädchen sich über sein Lager beugte, da flog
ein schwaches Lächeln über seine Lippen. Ein Teil seines
Körpers erwies sich als gelähmt, als hätte ihn eine Hemi-
plegie befallen. Um Miriota wenigstens etwas zu beruhigen,
flüsterte er ihr aber bald, wenn auch nur sehr schwach, die
Worte zu: »Es hat nichts auf sich, bestimmt, das geht vor-
über!«
»Nic, mein armer Nic!« klagte das junge Mädchen.
»Nur etwas Erschöpfung, liebste Miriota, etwas Auf-
regung. Das gibt sich bald wieder, und unter deiner
Pflege ...«
Doch der Kranke brauchte selbst und in seiner Umge-
bung die größte Ruhe. So verschwand auch Meister Koltz
aus dem Zimmer und ließ Miriota bei dem jungen Förster,
der sich keine aufmerksamere Krankenpflegerin hätte wün-
schen können und bald sanft entschlummerte.
Inzwischen berichtete der Gastwirt Jonas vor einem gro-
ßen Zuhörerkreis und mit starker Stimme, um von allen
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richtig verstanden zu werden, was sich seit ihrem Fortgang
zugetragen hatte.
Nachdem Meister Koltz, der Schäfer und er im Wald den
Pfad gefunden, den Nic Deck und der Doktor sich gebro-
chen, hatten sie direkt den Weg zum Karpatenschloß ein-
geschlagen. 2 Stunden arbeiteten sie sich die Abhänge des
Plesa schon hinauf, als zwei Männer sichtbar wurden. Das
waren der Doktor und der Förster, der eine, dem die Beine
jeden Dienst versagten, und der andere am Rand seiner
Kräfte und am Fuß eines Baums zusammengesunken.
Zu dem Doktor hinzulaufen, ihn zu fragen, ohne von
ihm eine Antwort zu erhalten, denn er war viel zu sehr au-
ßer sich, um eine Silbe hervorbringen zu können, ferner aus
Baumzweigen eine Bahre herzustellen, Nic Deck darauf zu
legen und Patak wieder auf die Füße zu helfen, das war im
Handumdrehen geschehen. Koltz und der Schäfer, die zu-
weilen von Jonas beim Tragen abgewechselt wurden, hatten
darauf den Rückweg nach Werst eingeschlagen.
Warum Nic Deck sich in einem solchen Zustand befand
und ob er die Ruinen der Burg durchsucht hatte, das wußte
der Gastwirt ebensowenig wie Meister Koltz, nicht mehr
als der Schäfer Frik, denn der Doktor hatte sich noch nicht
wieder so weit erholt, um ihre Wißbegierde befriedigen zu
können.
Hatte Patak bis jetzt aber nicht gesprochen, so mußte er
es nun wohl tun. Sapperment, er befand sich ja in Sicherheit
im Dorf, umgeben von seinen Freunden, inmitten seiner
Klienten. – Von den Wesen da draußen hatte er nichts mehr
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zu fürchten; selbst wenn sie ihm den Eid entrissen hätten,
zu schweigen, nichts von dem zu verraten, was er im Karpa-
tenschloß gesehen, so legte ihm doch das Interesse der
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