Das Karpatenschloß
herunterzukommen, zurückzukehren, den
Weg nach Werst wieder mit mir einzuschlagen. – ›Nein!‹
Das ist die ganze Antwort, die ich von ihm bekomme. Nun
will ich fliehen – jawohl, ihr Leute, ich gesteh’ es, ich wollte
fliehen, und unter Euch ist keiner, der nicht genau densel-
ben Gedanken gehabt hätte. Doch vergeblich such ich vom
Erdboden loszukommen. Meine Füße sind angenagelt –
festgenietet – eingewurzelt. Ich versuche mich mit Gewalt
loszureißen: unmöglich! Ich zapple mit allen Gliedern: ver-
gebens!«
Doktor Patak ahmte hierbei die verzweifelten Bewegun-
gen eines an den Beinen festgehaltenen Mannes nach, die
etwa denen eines Fuchses glichen, der in ein Fangeisen ge-
raten ist.
Dann kam er auf seine Erzählung zurück: »In diesem
Augenblick«, sagt er, »hör’ ich einen Schrei, und was für ei-
nen! Nic Deck hatte ihn ausgestoßen. Seine die Kette um-
klammernden Hände haben diese losgelassen, er stürzt in
den Graben hinunter, wie von unsichtbarer Hand nieder-
geschlagen!«
Der Doktor berichtete ja hier die Ereignisse genau so,
wie sie sich abgespielt hatten, und ohne daß seine Einbil-
dungskraft, so erregt sie auch war, etwas hinzufügte. Wie er
sie schilderte, so hatten sich die Wunderdinge, deren Schau-
platz das Plateau des Orgall in vergangener Nacht gewesen
war, in der Tat zugetragen.
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Nic Deck aber erging es nach seinem Absturz wie folgt:
Der Förster ist bewußtlos, der Doktor Patak ganz unfähig,
ihm zu Hilfe zu kommen, denn seine Stiefel sind an die Erde
genagelt, und die geschwollenen Füße vermag er nicht her-
auszuziehen. Plötzlich wird die unsichtbare Macht, die ihn
fesselt, mit einem Schlag gebrochen. Seine Beine sind wie-
der frei, er eilt auf seinen Gefährten zu und – von seiner
Seite schon eine wahre Heldentat – benetzt das Gesicht Nic
Decks mit seinem Taschentuch, das er mit Wasser aus dem
Abzugskanal befeuchtet hatte. Der Förster kommt wieder zu
sich, sein linker Arm und ein Teil seines Körpers sind aber
seit dem schrecklichen Schlag, der ihn getroffen hat, wie
gelähmt. Mit Hilfe des Doktors gelingt es ihm jedoch, die
Böschung hinaufzukriechen und zum Plateau zu gelangen.
Dann geht es ohne Besinnen zurück, auf das Dorf zu. Nach
einstündiger Wanderung schmerzen ihn der Arm und die
linke Seite des Körpers dermaßen, daß er haltmachen muß.
Endlich, gerade in dem Augenblick, wo der Doktor, um wei-
tere Hilfe zu holen, allein nach Werst laufen will, stellen sich
Meister Koltz, Jonas und Frik gerade noch rechtzeitig ein.
Was dem jungen Förster widerfahren und ob er schwer
verletzt war, darüber vermied der Doktor Patak sich zu äu-
ßern, obwohl er sonst, wenn es sich um einen Krankheitsfall
handelte, immer mit einem sehr bestimmt lautenden Urteil
bei der Hand war.
»Liegt einer an einer natürlichen Krankheit danieder«,
begnügte er sich in sehr lehrhaftem Ton zu sagen, »so ist
das schon ernst genug. Handelt es sich aber gar um eine
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übernatürliche Krankheit, die der Chort Euch in die Glie-
der schickt, so kann diese auch nur der Chort wieder ver-
treiben.«
Bei jedem Mangel einer Diagnose erschien die Prognose
bezüglich Nic Decks wenig beruhigend. Zum Glück waren
des Doktors Worte kein Evangelium, und wieviele Ärzte seit
Hippokrates und Galen haben sich getäuscht und täuschen
sich noch täglich, obwohl sie Doktor Patak im Wissen und
Können weit über sind. Der junge Förster war ein von Natur
gesunder Bursche, bei seiner kräftigen Konstitution konnte
man wohl erwarten, daß er sich – auch ohne Teufelshilfe –
wieder aus der Schlinge zog – allerdings nur unter der Vor-
aussetzung, daß er die Vorschriften des alten Krankenpfle-
gers von der Quarantäne nicht gar zu genau befolgte.
8
Solche Vorkommnisse waren natürlich nicht geeignet, die
Bewohner von Werst zu beruhigen. Jetzt stand es außer
Zweifel – es waren keine leeren Drohungen gewesen, die
der »Mund des Schattens«, wie der Dichter sich ausdrücken
würde, den Gästen im ›König Mathias‹ zu hören gegeben
hatte. In unerklärlicher Weise verletzt, war Nic Deck für sei-
nen Ungehorsam und seine Verwegenheit bestraft worden.
War das nicht eine ernste Mahnung an alle, denen es etwa
einfallen sollte, seinem Beispiel zu folgen? Das beklagens-
werte Unternehmen bewies klar und deutlich, daß es streng
verboten war, in das Karpatenschloß einzudringen. Wer das
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je wieder
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